SWR2 Wort zum Tag
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„Die Brise ist frisch, der Himmel ist blau. Ich liebe dieses Leben von ganzem Herzen und will frei von ihm reden: ich danke ihm den Stolz, ein Mensch zu sein. Und doch hat man mich oft genug gefragt, worauf ich denn so stolz sei." Der junge Albert Camus schreibt das, dieses Jahr steht sein 1oo. Geburtstag an. Es gibt wohl wenig Jugendschriften , die so überschwenglich das Glück des Daseins bejubeln und die Lust, ein Mensch zu sein. Heutzutage eher ungewohnt, da es eher zum guten Ton gehört, das Leben schwierig zu finden. Camus dagegen und sein alter Ego im Text sind stolz. „Worauf? Auf diese Sonne und das Meer, auf mein von Jugend überströmendes Herz, auf meinen salzigen Leib und diese unermeßliche Pracht aus Glanz und Glück, aus Gelb und Blau. Ich muß alle meine Kräfte aufbieten, um dieser Fülle standzuhalten." Hochzeit in Tipasa heißt die kleine Schrift - und Tipasa nahe Algier ist für Camus, den späteren Nobelpreisträger, zeitlebens der Ort paradiesischer Fülle. Eine altrömische Stadt, nahe am Meer, in Ruinen jetzt und voll duftender Pflanzen - für die jungen Leute damals war es der Ort der Schönheit und der Liebe schlechthin. „Alles hier läßt mich gelten, wie ich bin; ich gebe nichts von mir auf und brauche keine Maske: es genügt mir, dass ich geduldig die schwierige Wissenschaft lerne: zu leben, die so viel wichtiger ist als alle die Lebenskunst der andern." Tipasa ist der Ort, wo alles stimmt: die herrliche Landschaft mit Meer und Bergen, der Zusammenklang von Natur und Geschichte, und darin der erwachende, selbstbewusste Mensch mit seiner Kraft und Lust.
Gewiß: die Sprache von Camus mag heutzutage eher überschwenglich romantisch wirken oder gar schon geschwollen. Die jungen Leute heute gehen lieber in Discos oder zu Parties anderer Art. Aber Camus' förmlich unbändige Lust, ein Mensch zu sein, beeindruckt in unserer Welt der Bedenkenträger und Unkenrufer. Wer sagt denn noch so unbekümmert, dass die Welt trotz allem schön ist und das Leben eine tolle Sache? Hoffentlich hat auch jeder von uns sein Tipasa, seinen Paradieses- und Sehnsuchtsort. Dorthin kann man auch in schwierigen Zeiten wenigstens erinnernd zurückkehren. Camus jedenfalls hat sein ganzes Leben lang von diesen Glückserfahrungen gezehrt. Gerade Christinnen und Christen sollten sich von niemandem darin übertreffen lassen, die Welt als Gottes schöne Schöpfung zu genießen und zu bewahren. Die Sommerzeit jetzt ist eine besondere Gelegenheit, das Leben zu feiern und den Schöpfer zu loben.
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