SWR4 Abendgedanken

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Heute, morgen und übermorgen feiern die Muslime ihr wichtigstes Fest: Das Ramadanfest. Bayram. Sie feiern den Neuanfang des Lebens nach dem Fastenmonat: Gut Essen und Trinken, die Familie kommt zusammen, man besucht Verwandte und Freunde, man spendet für die Bedürftigen, für die Kinder gibt es Geschenke. Ein bisschen wie Weihnachten.
Bis gestern haben manche vier Wochen lang gefastet. Jedenfalls tagsüber. Erst nach Sonnenuntergang kommt das Fastenbrechen. Dann darf man Essen und Trinken.
Ich habe keine Ahnung, wie viele von den Muslimen hier in meiner Stadt  wirklich fasten. Bei den Jungs, die in meiner Straße zusammen mit den deutschen vor der Tür ihrer Schule stehen und rauchen, habe ich den Eindruck: die fasten nicht. Es könnte sein, dass an diesem Punkt Christen und Muslime dasselbe Problem haben. Auch in den Kirchen fehlen die jungen Menschen, wenn Gottesdienst gefeiert wird.
Ich habe Frau Öz gefragt, die lange meine Wohnung in Ordnung gehalten hat, warum sie fastet: „Weil Gott will" hat sie gesagt, „dass wir lernen, uns zu beherrschen. Und weil wir lernen sollen, wie köstlich das ist, was wir haben." Und ich denke mir: Manchen von den Jungs und Mädchen, die vor der Schule stehen und rauchen, täte es bestimmt gut, wenn sie das lernen.
Aber ob man dazu solche Übungen braucht? Sind das nicht Äußerlichkeiten und eigentlich kommt es auf den Glauben an? Das stimmt. Aber im Glauben muss man sich einüben. Den muss man pflegen. Den darf man nicht verwahrlosen lassen. Dann verliert er sich irgendwie. Das merken auch wir Christen. Man braucht Übungen, damit man spürt, wie gut der Glaube tut. Beten zum Beispiel ist so eine Übung. Regelmäßig Beten hält den Kontakt aufrecht zu Gott. Dann reißt das Gespräch nicht ab und er wird einem nicht fremd. Und ab und zu in den Gottesdienst gehen, das belebt den Glauben. Was man dort sieht und hört, was einen bewegt, was einem zu denken gibt: das hält den Glauben lebendig. Ohne diese äußeren Formen wird der Glaube irgendwann zugedeckt vom Alltag und ist nicht mehr zu erkennen.
Ich glaube, es täte uns Christen gut, solche Übungen im Glauben zu machen. Genau wie den Muslimen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15794
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