SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Ich hoffe nicht auf ein Wunder, das mir die verlorene Sehkraft zurück bringt". Das sagt Susanne Krahe über sich. Susanne Krahe ist 52, Christin und seit über 20 Jahren blind. „Meine Erblindung", sagt sie, „hat mir neue Dimensionen eröffnet, die mir als Sehender unerschlossen geblieben wären."
Mir gibt das zu denken, denn immer wieder treffe ich Menschen, die warten auf ein Wunder. Eltern hoffen für ihr behindertes Kind auf ein Wunder. Eine junge Mutter, dass sie den Krebs doch noch besiegen kann. Wer könnte das nicht verstehen!
Zur Zeit Jesu haben viele von ihm ein Wunder erwartet.  Und manche hat er geheilt.
Heute gibt es Gott sei Dank eine Menge medizinische Hilfe und vieles kann man gesund machen. Aber immer noch nicht alles. Dann hoffen die Leute auf ein Wunder.
Die erblindete Susanne Krahe sagt: Warum könnt ihr nicht sehen, was die Kranken und Behinderten können? „Menschen mit Behinderungen erfahren von Kindheit an, dass ihr Sosein den Maßstäben selbst der eigenen Eltern nicht genügt". Das ist die Erfahrung einer blinden Frau.
Und Jesus? Hat der denn nicht die Blinden sehend gemacht und dafür gesorgt, dass Gelähmte wieder auf die Beine gekommen sind? Ja, das hat er. Aber auch er hat längst nicht alle geheilt und gesund gemacht. Jesus wollte zeigen und spürbar machen, wie es einmal in Gottes neuer Welt sein wird. Und dass gerade die Kranken und Behinderten dort gut aufgehoben sein werden.
Und bis dahin? Sollen wir also nicht auf Wunder hoffen? Vielleicht jedenfalls nicht auf solche, wie man sie bei Jesus erleben konnte. Ich denke an den Apostel Paulus. Der hatte anscheinend eine schwere Krankheit und schreibt in einem Brief: „Ich habe immer wieder um ein Wunder gebetet. Aber Gott hat mir geantwortet: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig" (2. Kor 12,9). Gerade so hat er den Glauben der Christen in der ganzen damals bekannten Welt verbreitet. Deshalb glaube ich: Gottes Kraft kann Wunder tun. Auch wenn einer krank ist oder behindert.
Und heute: Die blinde Susanne Krahe schreibt Bücher. Ein Mann im Rollstuhl ist Finanzminister. Es ist viel mehr möglich, als ich mir vorstellen könnte. Ich finde, das ist ein Wunder.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15793
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