SWR2 Wort zum Tag

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Für viele sind es einfach Querulanten: Menschen, die eine eigenwillige Meinung vertreten - und das sehr bestimmt. Die zum Beispiel darauf beharren, dass Strahlung von Handys schädlich ist. Oder ein großes Bauprojekt mit dem Hinweis auf eine unscheinbare Tierart zu stoppen versuchen.
Wie geht es Ihnen mit solchen Anliegen? Ich muss zugeben: Ich bin da auch nicht in jedem Fall geduldig.
Allerdings: Die Bibel ist voll von solch eigensinnigen Menschen und ihren Geschichten - und meistens bekommen sie Recht.
So wie Nabot, zum Beispiel. Ihm gehört ein Weinberg. Allerdings liegt sein Besitz direkt neben dem königlichen Palast und der König kommt auf die Idee, das Grundstück als Gemüsegarten nutzen zu wollen. Natürlich nicht umsonst. Nabot kann dafür einen anderen, sogar besseren Weinberg bekommen - oder sich den Gegenwert auszahlen lassen. Ein faires Angebot - König Ahab rechnet nicht mit Widerstand. Für Nabot dagegen kommt dieser Deal nicht in Frage. Nach dem Gesetz gehört das Land seiner Väter gar nicht ihm selbst, sondern Gott, er kann und darf es deshalb nicht verkaufen.
Nun, König Ahab muss sich um Prinzipienreiter wie Nabot weniger Sorgen machen als der bundesdeutsche Rechtsstaat heute. Ein Justizmord, eingefädelt von seiner Frau - und der Weinberg ist seiner. Gott allerdings, so das Ende der biblischen Geschichte, verzeiht dem König sein Vorgehen nicht. Nabot war im Recht - und Ahab wird bestraft.
Ich finde diese Geschichte spannend. Denn auch Nabot ist, nach heutigen Maßstäben gemessen, ein Querulant. Er verweigert sich einer auf den ersten Blick fairen und vernünftigen Lösung, und das mit Hinweis auf ein altes Recht, das auch zu seiner Zeit offensichtlich nicht mehr allen Menschen einleuchtete.
Auf den zweiten Blick aber ist die Regel, nach der Nabot handelt, gar nicht unvernünftig. Wer Grund und Boden nicht als frei verfügbaren Besitz, sondern als eine Art „Leihgabe von Gott" ansieht, der geht, glaube ich, anders, verantwortungsbewusster damit um.
In Entwicklungsländern gibt es immer mehr Menschen, die kein Land mehr haben, das sie bewirtschaften können. Ihr Land gehört inzwischen oft großen Konzernen, die darauf zum Beispiel Energiepflanzen für Treibstoffe anbauen. Solche ganz aktuellen Probleme zeigen, dass Nabots Rechtsvorstellung zumindest bedenkenswert ist.
Auf jeden Fall aber zeigt mir die Geschichte von Nabot und seinem Weinberg, dass Fehler bei einem Projekt schnell übersehen werden. Und dass es sich deshalb lohnt, auf einzelne Kritiker wie Nabot zu hören, auch wenn ihre Ansichten zunächst eigenwillig scheinen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15788
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