SWR2 Wort zum Tag

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Vor kurzem habe ich das Nsambya Babies House besucht. Es liegt in Kampala, der Hauptstadt von Uganda. Über 100 Kinder leben hier - die jüngsten sind ein paar Tage alt, manche dürften schon fünf, sechs, oder sieben sein. Sie wurden von staatlichen Stellen hierher gebracht, und alle sind hier, weil sie kein anderes Zuhause haben. Aids-Waisen sind darunter; Kinder, die von ihren Eltern ausgesetzt worden sind; manche wurden nach schweren Misshandlungen zwangsweise aus ihren Familien heraus genommen. Auch Kinder von Flüchtlingsfamilien aus dem benachbarten Kongo sind dabei, die in den Wirren der Flucht von ihren Eltern getrennt wurden. Manche sind nur kurz hier, andere mehrere Jahre, bis sie in ein anderes Heim kommen. Sie könnten auch adoptiert werden, aber das kommt selten vor.

Sr. M. Susan Najjemba empfängt uns. Ihr Orden unterhält dieses Waisenhaus. Sr. Susan führt uns an vielen Zimmern mit kleinen Kinderbettchen vorbei; sie zeigt uns Container mit Zelten, Stühlen, Matratzen, die die Schwestern gegen Geld verleihen und so erfolgreich das Einkommen der Einrichtung aufbessern. Wir kommen an Ställen mit Ziegen, Schafen, Hühnern vorbei. Das Leben spielt sich wie überall in Afrika im Freien ab. Einige Kinder sind mit angestellten Helferinnen zusammen gerade dabei, Kartoffeln zu schälen und in einen riesigen Topf hinein klein zu schneiden. In einer anderen Ecke des weitläufigen Areals werden Kleinkinder gefüttert, andere gewaschen oder mit frischen Windeln versorgt.

Viele der Kinder tollen fröhlich herum oder drängen sich vor, um fotografiert zu werden - wie überall. Anderen freilich ist in ihre kleinen Gesichter und in ihre traurigen Augen hineingeschrieben, was sie schon alles erlebt haben. Man kann es nur ahnen. Ein kleiner Junge - er kann sich gerade selbständig auf den Beinen halten - will mir auf Schritt und Tritt nachlaufen; wenn ich stehen bleibe, klammert er sich an meine Beine, wenn ich mich zu ihm hinab in die Hocke begebe, drängt er sich in meine Arme und schmiegt sich an mich. Was mir auffällt: nicht ein einziges Mal nimmt er Blickkontakt mit mir auf.

Ich kann ihn nicht mitnehmen. Als ich mich beim Weggehen noch einmal nach ihm umwende, sitzt er auf dem Boden und weint bitterlich. Immer noch tut mir dieser Anblick weh. Ich kann ihn nicht vergessen, ich will es auch nicht. Es wird mir schmerzlich bewusst, wie hilflos ich oft bin, wenn ich menschliches Leid nicht aus der Ferne wahrnehme, sondern ihm in unmittelbarer Nähe begegne - so wie hier bei diesem kleinen Kind, irgendwo in Uganda.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15785
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