Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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..., wenn sich nichts in der Welt geändert hat?" 

In einer jüdischen Schule sind die Kinder in höchster Aufregung. Statt sich in die heiligen Schriften zu versenken, reden alle durcheinander. Als der Rabbi hereinkommt, rufen sie ihm zu: „Der Messias ist gekommen!" Der Rabbi geht ans Fenster, schaut auf die Straße, kommt zurück, setzt sich ans Pult und macht da weiter, wo er in der letzten Stunde aufgehört hat. „Aber, Rabbi ...", unterbrechen ihn die Schüler. „Was sollen wir jetzt tun?" „Nichts sollt ihr tun", antwortet der Lehrer. „Wie kann der Messias gekommen sein, wenn sich nichts in der Welt geändert hat?"

Diese jüdische Geschichte ist eine kritische Anfrage an die Christen. Wie könnt Ihr Christen sagen, Jesus sei der Messias gewesen? Ist die Welt heute friedlicher oder gerechter als vor 2.000 Jahren? Offenkundig ist sie das nicht! Also war Jesus nicht der Messias?

Jesus verkündete das Reich Gottes. Er hatte diese Botschaft von Johannes dem Täufer übernommen. Der drohte noch wortgewaltig mit dem Jüngsten Gericht. Nur durch Umkehr und Buße könnten die Menschen ins Reich Gottes gelangen.

Jesus aber trennte sich von Johannes und setzte einen anderen Schwerpunkt. Für Jesus ist die Herrschaft Gottes nicht zuerst eine Sache der Zukunft. Keine kosmische Katastrophe, kein Weltuntergang. Das Reich Gottes ist vielmehr schon da. Hier und heute. Es beginnt mit dem Evangelium. Wo die Menschenfreundlichkeit Gottes gelebt wird, da ist die Erlösung spürbar. Deshalb zieht sich Jesus nicht wie Johannes in die Wüste zurück. Er geht zu den Menschen. Er heilt die Kranken, nimmt sich der Schwachen an, vertreibt die Ängste, holt die Außenseiter zurück in die Mitte der Gesellschaft. Wie befreiend die Nähe Gottes ist, erleben die Leute in der von Jesus praktizierten Mahlgemeinschaft. Der Täufer hatte streng gefastet, Jesus liebt das gemeinsame Essen und Trinken. Seine Gegner nennen ihn einen „Fresser und Säufer, einen Freund der Zöllner und Sünder." (Lk 7,34)

Es ist richtig: die Vollendung der Welt steht noch aus. Aber mit Jesus ist die Herrschaft Gottes bereits gegenwärtig. Und jeder ist eingeladen, sich darauf einzulassen.

 

 

 

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