SWR2 Wort zum Tag

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„So könnte es sein zwischen den Jungen und den Alten". Habe ich vor kurzem gedacht. Wenn sie zusammen finden, wie der alte Herr und das kleine Mädchen, vermutlich Opa und Enkelin. Vor ein paar Tagen habe ich sie getroffen in einem tristen Fußgängertunnel unter dem Hauptbahnhof. Mir kam die Szene dort vor wie ein Versprechen:

Zuerst habe ich die beiden nur gehört. Von hinten sind sie näher gekommen. Im Laufschritt. „Da haben es zwei aber eilig," habe ich gedacht. Obwohl sie laufen, steht die Kinderstimme nicht still. Ein bisschen außer Atem plappert sie unentwegt. Als sie mich überholen, wirkt das Bild ganz heiter auf mich. Der Opa, groß, sportlich mit seinen bestimmt über 70. Das kleine Mädchen, vielleicht vier. Dieser Größenunterschied! Die beiden Rucksäcke wippen reichlich asynchron beim Laufen. Aber sie haben dasselbe Tempo gefunden. Dabei, ihre Schritte könnten unterschiedlicher nicht sein. Opa und Enkelin zusammen auf Ausflug.

Das Erstaunlichste aber. Sie halten sich fest an den Händen. Die ganze Zeit. Gar nicht so einfach, im Laufen, bei dem Größenunterschied. Die Kleine redet immer weiter und der Opa hört aufmunternd zu. Bis ich sie nicht mehr sehen kann. Aber ihr Bild ist mir immer noch lebendig.

Eine Szene wie ein Versprechen? Mir jedenfalls sagt sie:

Es gibt eine Kraft, die Menschen anzieht und zusammen gehören lässt. Die über Generationen hinweg das Bedürfnis wachhält, dass wir uns gewissermaßen an den Händen halten. Ich glaube, diese Kraft ist unauslöschlich. Unsere modernen Lebensumstände machen es vielleicht schwierig, so zu leben. Wenn alt und jung kaum Gelegenheit haben, einander zu begegnen, wird das Fremdeln womöglich größer. Aber die beiden im S-Bahn-Tunnel versprechen mir, die Kraft der Anziehung lebt.

Und sie erzählen mir von dem Privileg, das Großeltern oft haben. Gegenüber Eltern. Zwischen Eltern und Kindern bekommt die Liebe ja unvermeidlich ‚Alltagsdellen', sogar ‚Alltagsnarben.' Großeltern können unbelastet vom Alltag mit Kindern umgehen. Ungeniert liebevoll. Mehr vielleicht, als sie es mit den eigenen Kindern geschafft haben. Oma und Opa können so lieben wie Paulus schreibt: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf." So kann man über Generationen hinweg erleben: „Die Liebe hört niemals auf."(1. Kor 13,4.7.)

Vielleicht haben Sie ja in diesen Ferien die Gelegenheit, dieses Privileg zu erleben. Wie die beiden im Bahnhofstunnel. Vielleicht erleben Sie, dass es wahr wird, das Versprechen der Liebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15747
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