Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Gucken kostet 5,00 €! Mithelfen kostenlos!" So stand es vor einigen Wochen bei dem fürchterlichen Hochwasser auf einem Banner, das über Sandsäcke ausgestreckt war. „Gucken kostet 5,00 €! Mithelfen kostenlos!" Von weit her kommen Menschen angefahren, stehen auf dem Deich und starren, während andere Sandsäcke schleppen und ihr Hab und Gut in Sicherheit bringen. Sie sind Gaffer, und das ist manchen nicht mal peinlich. Das ist fast schon die Lust am Leid der anderen. Wie ist so etwas möglich?

Anschauen und gaffen - das ist ein großer Unterschied. In der Schöpfungsgeschichte der Bibel schaut Gott immer wieder auf das, was er geschaffen hatte. Das Licht, das Wasser, die Tiere und den Menschen. Am Ende des 6. Tages heißt es im Schöpfungsbericht: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut. (...) So wurden Himmel und Erde vollendet." Indem Gott sein Werk anschaut, wird es gut, wird es vollendet.

So ist es bei jedem Menschen, der etwas schafft, der etwas erschafft. Jeder Handwerker schaut sein Werk immer wieder an - um es zu verbessern und so zu vollenden. Jeder Maurer schaut vor dem Feierabend nochmals auf sein Tagwerk - mit etwas Stolz auf seine Arbeit, vor allem aber mit der Gewissheit, das alles einmal zu vollenden.

Anschauen macht glücklich. Anschauen vollendet.

Gaffen, Menschen in ihrer Not anzustarren, führt zum Gegenteil. Es vergrößert das Leid, verärgert und macht das Unglück komplett. Vollendung sieht anders aus.

Anschauen und Gaffen - der Unterschied könnte nicht größer sein: Einen Menschen anschauen, macht ihn glücklich und vollendet ihn. Auf einen Menschen samt seinem Leid gaffen, macht ihn dagegen unglücklich und nimmt ihm die Würde.

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