Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Wir arbeiten für Ihr Leben gern", lese ich vor einigen Wochen auf einem Großplakat im Bahnhof von Mainz. Eine Kassenärztliche Vereinigung will so einen Beitrag gegen den Ärztemangel leisten. „Wir arbeiten für Ihr Leben gern." Ich bin stutzig. Ich kenne den Satz ein wenig verändert: „Ich arbeite für mein Leben gern." Und doch öffnet der Satz auf dem Plakat mir die Augen für ganz besondere Menschen, die Tag für Tag für ihr Leben gern für mich und andere arbeiten. Ohne damit Geld zu verdienen. Einfach so. Für ihr Leben gern.

Ich sehe den Rentner, der am frühen Morgen am Zebra-Streifen vor der Grundschule steht, um den Schülerinnen und Schülern einen sicheren Schulweg zu garantieren. Das sei viel zu gefährlich hier, sagt er, und so komme er ein wenig raus. Ich erinnere mich an die ältere Dame, die meine an Demenz erkrankte Mutter über Wochen besuchte, ihr Geschichten erzählte und aus Büchern vorlas. Das helfe enorm, meinte sie immer wieder. Ich freue mich über den Besuchsdienst meiner Kirchengemeinde, die alte Menschen immer wieder neu ins Leben der Gemeinde zurückholt. Auch ich werde ja mal alt, sagt mir eine Dame als Begründung. Und ich freue mich auch über zwei junge Leute, die am Nachmittag auf dem Sportplatz einen wuseligen Trupp von Fünf-Siebenjährigen beim Fußball-Training betreuen. Weil's Spaß macht. Und die Hausaufgabenbetreuung für Zugezogene fällt mir ein, und die Mitarbeiterinnen der Hospizbewegung, um nicht die Frauen und Männer des örtlichen Tafelladens zu vergessen.

„Wir arbeiten für Ihr Leben gern", und mir wird klar, wie wichtig das Engagement der vielen Ehrenamtlichen ist. In den Vereinen und Kirchen, in den Schulen und in caritativen Einrichtungen, hierzulande und weltweit, die die Augen offen halten für Menschen, die in Not sind oder sich in Schwierigkeiten befinden. So wird und so bleibt unsere Gesellschaft menschlich. Ihr Engagement  fragt auch mich an, was ich bereit bin zu tun für eine menschenwürdige Kultur des Zusammenlebens. Das muss nicht viel sein, und Spaß machen darf es auch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15712
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