Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wie viel Luxus braucht der Mensch?
Wenn ich ehrlich bin: ich begnüge mich nicht mit den lebenswichtigen Dingen. Da sehe ich ein paar hübsche Ohrringe im Schaufenster und schon will mir eine innere Stimme einreden: „Die musst du haben!“
Ab und zu möchte ich mich besonders schön machen und sogleich verspüre ich das Bedürfnis nach etwas Neuem. Und einen leckeren Wein oder ein gutes Essen verschmähe ich auch nicht. – Ist das normal?
Ich schlage zum Vergleich mal bei den Völkern im Südpazifik nach.
Da erfahre ich:
Um Handel zu treiben müssen die Menschen oft einen ganzen Tag lang im Boot zur nächsten Insel fahren. Und das machen sie auch. Aber nicht etwa, um Weizen zu tauschen, Mais oder Fisch, also etwas Nützliches, das man dringend zum Leben braucht. Nein, sie nehmen diesen ganzen Weg auf sich, um Schmuck zu erwerben: Armreifen aus Muscheln, die es an ihren Stränden nicht gibt, oder Ketten aus Steinen, die nur auf fernen Inseln zu finden sind.
Das schlichte Bedürfnis nach Luxus treibt sie.
Völkerkundler schließen daraus:
Sobald der Mensch satt ist und ein Dach über dem Kopf hat, sucht er das Außergewöhnliche. Und dafür nimmt er große Anstrengungen auf sich.
Denn das Außergewöhnliche verleiht Frauen und Männern eine Ahnung von Größe, ein Gefühl, so besonders zu sein, wie die Muscheln, die sie vorher nicht kannten.
Die Sehnsucht nach etwas Erhabenen - die reine, unbeschwerte Freude am Schönen - das beschert uns Augenblicke, in denen wir den Himmel auf Erden spüren.
Im Psalter bedankt sich einer dafür bei Gott:
„Du lässt Gras wachsen für das Vieh, und Saat zu Nutz den Menschen,
dass du Brot aus der Erde bringest, und dass der Wein erfreue des Menschen Herzen, dass seine Gestalt schön werde vom Öl.“
Dieser Beter nimmt die Gaben Gottes dankbar an: Das Lebensnotwendige genauso wie den Wein und alles Schöne. Solcher Luxus macht das Leben kostbar. So wie die fein schimmernden Muscheln, für die die Menschen im Südpazifik einen Tag lang über das Meer fahren.
Wie viel Luxus braucht der Mensch? Halten wir es einfach wie Mahatma Gandhi. Der sagte: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1571
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