SWR2 Wort zum Tag

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Ohne Klartext kommt kein Dialog zustande

Was macht ein Gespräch zu einem echten  Dialog? Zwischen Menschen sehr verschiedener Herkunft und Prägung - wenn verschiedene Anschauungen und Empfindungen aufeinander prallen - religiöse oder politische - dann wird es richtig schwierig mit dem Dialog. 

Der französische Dichter Albert Camus hat den hohen Wert und das Profil eines echten Dialogs herausgestellt. Er war als bekennender Atheist zu einem Vortrag in einem Dominikanerkloster eingeladen. Eines war von vornherein klar: Camus und seine dominikanischen Gastgeber denken und empfinden sehr verschieden.Er hat im Vortrag gesagt:

„Ich werde nicht versuchen, irgendetwas an meinen oder Ihren Gedanken zu ändern, um eine uns allen wohlgefällige Versöhnung der Standpunkte herbeizuführen. Vielmehr möchte ich Ihnen heute sagen, dass die Welt ein echtes Zwiegespräch nötig hat, (erg.: und) dass das Gegenteil eines Dialogs ebenso gut Lüge heiβt wie Schweigen und dass ein Zwiegespräch deshalb nur zwischen Menschen möglich ist, die das bleiben, was sie sind, und die wahr sprechen. Mit anderen Worten: die heutige Welt verlangt von den Christen, dass sie Christen bleiben."*  

Camus will einen Dialog mit Klartext. Von sich. Und vom Gegenüber.

Er will nicht, dass Menschen nur über den kleinsten gemeinsamen Nenner sprechen. Sie sollen im vollen Sinn des Wortes bei sich bleiben. Keine Kuscheldiplomatie, kein Ausklammern der Differenzen, kein sich Anverwandeln um des lieben Friedens willen.

Er als Atheist will im Dialog als Gegenüber Christen. Christen, die ihre Auffassungen nicht verstecken. 

Was Camus 1948 für die Nachkriegszeit verlangt hat, gilt für mein Empfinden heute umso mehr. Wo eine unausgesprochene politische oder religiöse Correctness  unser Denken und Empfinden maßregelt, da ist der Dialog schon gestorben, ehe er begonnen hat.

Zum echten Dialog gehört: Ich sage dir, wo ich stehe und woher ich komme, wie ich wahrnehme und empfinde.  Zeige du mir, deine Herkunft, dein Denken.

Mache mir deinen Standpunkt erkennbar.

Wie soll ich sonst das mir Fremde an dir verstehen. 

Nur „in Freimut" (Apg 28,31), wie es einmal vom Predigen des Paulus in Rom heißt, kann ein echter Dialog entstehen. Egal, ob es um Weltanschauungen, Glaubensfragen oder um Spannungen in der Familie geht.

Die Welt - und zwar die große wie die kleine, hat, ­- wie Camus sagt - ein echtes Zwiegespräch nötig.
Wenn ich mich getraut habe, selber in „Freimut" zu sprechen, habe ich die intensivsten Gespräche und Begegnungen erlebt.

*Albert Camus,1948, Vortrag in dem Dominikanerkloster von Latour-Maubourg  - geb.  7. November 1913 in Mondovi, Französisch-Nordafrika, heute Dréan, Algerien; gest. 4. Januar 1960)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15698
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