SWR2 Wort zum Tag

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Beten und bitten - das hängt nicht nur sprachlich zusammen. Das Bittgebet ist wohl die ursprünglichste und existentiellste Form des Betens. Wir bitten Gott in Zeiten der Krankheit und der Not, wir bestürmen ihn mit dem, was uns auf dem Herzen liegt. Fast jeder greift zu diesem Strohalm, wenn er sonst nicht mehr weiter weiß.

Für manche tiefsinnige Theologen ist das Bittgebet allerdings ein Problem. Wollen wir nicht letztlich Gott mit unserem Gebet unsere Wünsche aufzwingen? Für den kritisch fragenden Verstand ist auch schwer nachvollziehbar, dass Gott unmittelbar und direkt ins Leben eingreift. Müsste man dann nicht an Gottes Güte und Gerechtigkeit zweifeln angesichts von soviel Not und Elend? 

Jesus selbst scheint diese Bedenken nicht zu teilen. Er erzählt seinen Jüngern das Gleichnis von einem Mann, der um Mitternacht zu seinem Freund geht, um von ihm drei Brote zu leihen, da er überraschend Besuch bekommen und nichts anzubieten hat. Jesus fragt seine Zuhörer: „Wird dann etwa der Mann drinnen antworten: Lass mich in Ruhe, die Tür ist schon verschlossen, meine Kinder schlafen bei mir; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben? Ich sage euch: wenn er schon nicht deswegen aufsteht und ihm seine Bitte erfüllt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, was er braucht." 

Ein eigenartiges Gleichnis. Muss man Gott in den Ohren liegen, um sein Herz zu erweichen? Oder polemisiert hier Jesus gegen eine allzu fromme Beschwichtigungsideologie: dass man die göttliche Ordnung und Ruhe nicht stören darf, sondern sich in sein Schicksal fügen muss und nicht allzu viel vom Leben erwarten darf? So hält man die Menschen klein. Jesus aber ermuntert seine Jünger: „Bittet, dann wird euch gegeben, sucht, dann werdet ihr findet; klopft an, dann wird euch geöffnet." 

Wer bittet, lässt dem Status quo der Realität nicht das letzte Wort. Wer bittet, hat Gott und seine Verheißung noch nicht aufgegeben: dass Gott das Heil der Menschen will. Wer bittend zu Gott betet, der richtet sich innerlich zu ihm auf, so gebrochen er auch ist. Und diese Dynamik der Hinwendung zu Gott ist vielleicht wichtiger als dass die Bitten so erfüllt werden, wie man sich das erhoffte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15685
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