SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Halt an, wo läufst du hin! Der Himmel ist in dir." Das hat der Mystiker Angelus Silesius gesagt.

In der Hektik des Alltags habe ich manchmal das Gefühl, vor mir selbst davonzulaufen. Ständige Geräusche und Ablenkungen machen es mir schwer, abzuschalten. Auch innerlich.

Ich beobachte mich selbst: Muss ich, sobald ich irgendwo alleine bin, immer gleich irgendein Medium einschalten, um mich zerstreuen zu lassen? Es fällt mir nicht leicht, ab und zu eine Zeit lang nichts zu tun und einfach da zu sein, aber ich überlege: Wenn ich nicht in die Stille gehe, wird es mir irgendwann zu laut. Daher übe ich nun regelmäßig die Kunst des Alleinseins. Und das geht so:

Wenn es möglich ist, setze ich mich einige Minuten hin und tue - nichts.

Ich tue das regelmäßig. Und dann schaue ich mir selbst zu, was in mir aufsteigt an Gedanken und Gefühlen. Ich versuche darauf nicht wertend zu reagieren: So bin ich eben und so darf ich sein. Zu solch einer Einstellung gehört viel Mut und auch viel Liebe.

Anfangs ist das mühsam. Nach einiger Zeit verändert sich leise etwas in mir.

Ich verweile bei mir. Endlich, ein Stück Alleinsein. All-ein-sein. Wer alleine ist, und das gar nicht will, mag das als merkwürdig empfinden. Alleinsein kann mühsam sein. Manchmal brauche ich dazu ein Wochenende, manchmal eine halbe Stunde in der Früh, um das wonnige Gefühl des Alleinseins in Körper und Seele zu spüren. Alleinsein bedeutet für mich daher nicht einsam sein, sondern mit mir eins sein.

In solchen Momenten des Alleinseins spüre ich die Gegenwart Gottes. Manchmal ist es nur ein kurzer Augenblick, ja, so wie ein Aufstrahlen oder Aufleuchten eines wohltuenden Gefühls. In diesem Augenblick vergesse ich die Zeit, vergesse ich die Gedanken in meinem Kopf, ich bin ganz Ohr. Ich kann das üben. Eine Übung ist für mich zum Beispiel die „Dankbarkeitsübung".

Wenn ich dankbar bin, bin ich ganz im Hier und Jetzt. Dankbar sein geht immer nur in diesem Moment, egal was davor war oder danach kommt.

Mir genügt dazu manchmal ein Glockenschlag von der Kirche während des Tages. Sobald ich die Glocke höre, halte ich inne, einen kurzen Augenblick nur und ich besinne mich, wofür ich heute dankbar bin. Und plötzlich atme ich auf, manchmal ganz laut. Und lasse los und sage: „Danke!"

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15681
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