Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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20JUN2007
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Schwarz-Weiß. Das war unser erster Fernseher. Ein unvergessliches Erlebnis. Es war ein richtiges Schmuckstück für unser Wohnzimmer. Groß, mit einer Schiebetür und mit dem 1. Programm versehen. Und eben nur Schwarz-Weiß.
Vielleicht war dies auch der Grund dafür, dass ich als Kind farbenblind war. Ich konnte die Farben einfach nicht unterscheiden. So war unser Schwarz-Weiß-Fernseher gerade der richtige für mich.
Heute geht es mir durch den Kopf: Farbenblind – was heißt das? Heißt es blind sein für die Buntheit des Lebens?
Die Bibel spricht über mehrere Blindenheilungen Jesu. Die Blinden sind die Außenseiter, sie sehen das Leben nicht so wie es ist und so ist es Jesus ein Anliegen, dass die Menschen wieder sehen können.
Ich glaube allerdings: Dabei geht es Jesus gar nicht um das körperliche Sehen. Es geht um die Blindheit im übertragenen Sinne. Es geht darum ein Auge zu haben für die Buntheit und Vielfalt des Lebens. Vielleicht ein sehendes Auge haben für das eigene Mensch-Sein. Es geht um eine vertiefte Sicht auf alle Farben des Lebens.
Ich bin ein ehemaliger Schwarz-Weiß-Seher, war als Kind farbenblind und mag deshalb heute die kräftigen Farben: rot zum Beispiel. Rot hat etwas mit Liebe zu tun: das zeigen Rosen und die rote Aidsschleife.
Ich bekenne Farbe und habe auch keine Angst, mich zu dieser Farbe der Aidsschleife zu bekennen. Für mich heißt das: Ich will die Menschen, die mit der Krankheit Aids zu tun haben. Manchmal werde ich deshalb angesprochen: Herr Pfarrer haben Sie auch Aids? Dann antworte ich: Was würden Sie machen, wenn ich diese Krankheit hätte? Würden Sie den Menschen sehen in mir? Und was würde es ändern für Sie, wenn ich Aids hätte? Wäre ich dann weniger Mensch?
Gerade da setzt Jesus an: Er will die alltägliche Blindheit heilen. Eine Krankheit, vor der ich selber nicht gefeit bin. Und er will uns unser Mensch-Sein sehen lassen. Das nenne ich ein gutes Programm – ein Lebensprogramm: menschenfreundlich und farbig.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1564
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