SWR4 Abendgedanken

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Kennen Sie Jesus-Latschen?
Jesus-Latschen - so nannten wir früher diese bequemen Sandalen. Abgetragen durften sie sein, ausgelatscht eben. Die mussten nicht viel her machen. Aber sie mussten was aushalten.
So haben wir uns eben die Schuhe von Jesus vorgestellt: Abgelaufene Teile, denen man ansieht, dass Jesus viel unterwegs war. Gerade weil er so viel unterwegs war, mussten seine Schuhe bequem sein. Und sie mussten guten Stand bieten. Jesus ist nämlich sehr oft stehen geblieben, erzählt die Bibel.
Da kommt eine kranke Frau. Sie traut sich nicht, ihn anzusprechen, will ihn nur heimlich berühren: und Jesus spürt das, bleibt bei ihr stehen, fragt nach.
Da unterbricht Zöllner Zachäus seine Lieblingsbeschäftigung (nämlich Leute über's Ohr zu hauen) und will von weitem Jesus besichtigen: und Jesus bleibt stehen, nimmt sich für ihn Zeit und hilft ihm, sein Leben aufzuräumen.
Da sitzt ein blinder Mann am Wegrand und schreit, damit Jesus ihn hört und hilft. Und Jesus hört ihn und bleibt stehen und hilft.
Weggelaufen ist Jesus nie. Nicht vor kranken Menschen, nicht vor schrägen Typen, nicht vor Schwierigkeiten, nicht mal vor dem Tod.
Allerdings hat er manchmal einfach seine Füße hochgelegt und hat sich erholt. Oder er hat sich still hingesetzt, hat gebetet und Kraft getankt.
Ob Jesus bei all dem wirklich Jesus-Latschen getragen hat? Keine Ahnung. Und die Schuhe sind ihm vermutlich auch eher egal.
Aber er fordert mich auf, seinen Fußspuren zu folgen. Die lotsen mich hin zu den Menschen. Und sie bringen mich dazu, stehen zu bleiben: bei dem Kranken, der einen braucht, der ihm zuhört. Bei dem schrägen Typen, der es brauchen kann, dass ihn wer als Gottes Geschöpf behandelt.
Ich denke, ich habe kleinere Füße als Jesus. Und seine Schuhe sind mir mehr als eine Nummer zu groß. Ich kann nicht in seine Fußstapfen treten. Aber hinter ihm her laufen, das kann klappen. Schließlich ist er ja auch bei mir stehen geblieben...

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