SWR2 Wort zum Tag

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Gestern hatte der Apostel Paulus Namenstag. Er hat zur Zeit Jesu gelebt, ist ihm aber nie persönlich begegnet. Geboren als Jude unter griechisch denkenden Menschen ist er Christ geworden, einer der wichtigsten Apostel.
Warum ist Paulus Christ geworden? Er hat Christen gekannt, sie zunächst aber bekämpft. Und dann in einem heftigen Erlebnis einen inneren Zugang zu Jesus Christus gefunden, zu seinem Leben, seinem Sterben und seiner Auferweckung durch Gott. Der schweizer Theologe Daniel Marguerat deutet das auf eine Weise, die mich überrascht hat. Für ihn hat Paulus nämlich durch den Blick auf Jesus plötzlich gesehen, dass jede Art von Religion, die er bis jetzt kannte, versagt. Religion versagt, wenn Menschen damit durch eigene Leistung zu Gott kommen wollen. Paulus setzt dem die reine Gnade entgegen, die Gott dem Menschen schenkt. Wörtlich schreibt der Theologe Marguerat: „Ganz gleich, ob man sich Gott günstig stimmen will, indem man Gesetze genau beobachtet (wie es der Jude versucht) oder indem man sich um Weisheit bemüht (was der Grieche unternimmt), der Irrtum ist der Gleiche: ....Frömmigkeit (wird) zum Mittel, sich an das Göttliche heranzutasten, um es sich günstig zu stimmen (1Kor1,18-25). Aus diesem Grund..... hat Gott beschlossen, die Menschen durch die verrückte, lächerliche Botschaft vom Kreuz zu erlösen" Und Marguerat zitiert Paulus, der im 1. Korintherbrief schreibt: „Die Juden fordern Zeichen‚ die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit'(1 Kor 1,22-23)."
Das meint wohl: Religion versagt, wo immer Menschen damit einen Anspruch an Gott verbinden, wo immer sie sich selber anstrengen, sei es moralisch, sei es geistig. Worauf es ankommt, ist einzig und allein das Vertrauen, dass Gott von sich aus den Menschen annimmt. Noch einmal Marguerat: „Paulus hatte sich Gott als ungeheuer mächtig vorgestellt - und jetzt erlebte er, wie Gott in der Schwachheit wirkte. Er hatte ihn vielleicht für tyrannisch gehalten - jetzt erfuhr er ihn als mitfühlend. Er hatte gemeint, Gott throne in der Ferne - jetzt wusste er Gott in allem Leiden anwesend. So ging ihm auf: Gott lässt sich nur von denen entdecken, die ein solches Bild von Gott aufgeben und sich ganz und gar auf der Grundlage ihres Vertrauens ... annehmen lassen."

(vgl.: Daniel Marguerat: Das enfant terrrible des Christentums. In: Welt und Umwelt der Bibel, 2/2001, 5ff.)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15620
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