Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Bleib anständig!"
Meine Mutter hat mir den Satz früher immer zum Abschied mitgegeben.
Anständig! Was ist das denn?
Als Jugendliche hat mich das geärgert.
Besonders wenn ich auf eine Party wollte.
Bleib ja anständig, Kind!
Das war wie eine Moralkeule:
Ja, weiß ich nicht, wie man sich zu benehmen hat?
Anständig! Was das heißt, ist mir erst später klar geworden.
Einmal habe ich tatsächlich mein Portemonnaie liegen lassen. In der Unibibliothek.
Mit ziemlich viel Geld drin.
„Das sehe ich wohl nie wieder", habe ich gedacht.
Aber falsch gedacht: Am nächsten Tag habe ich es an der Information abholen können.
Ein ehrlicher Finder hatte es abgegeben - mit allem drum und dran.
Das war aber anständig von ihm! Und alles andere als selbstverständlich.
Was für eine Versuchung für einen armen Studenten, so ein volles Portemonnaie.
Und später, wenn man Geld hat, ist es sehr verführerisch, lukrative Angebote anzunehmen und eben mal Geld am Fiskus vorbei in Steueroasen zu deponieren.
Warum darauf verzichten, wenn keiner da ist, der einen bestrafen könnte?
Anständig sein braucht ganz schön viel Standfestigkeit.
Und Mut.
Wenn Sie zum Beispiel einen Fehler zugeben und ihn nicht unter den Teppich kehren.
Das ist ganz schön mutig. Und dazu müssen Sie erst mal den Anstand haben.
Oder wenn Sie Ihre Kollegen fair behandeln und nicht hinter ihrem Rücken lästern.
Auch wenn Ihre Kollegen das nicht zu schätzen wissen.
„Bleib anständig!"
meine Mutter sagt das heute noch zu mir beim Abschied.
Und heute höre ich es so:
Hab den Mut, das Richtige zu tun.
Trau dich, zu deinen Überzeugungen zu stehen.
Hab den Anstand auch die gut zu behandeln, die du eigentlich nicht leiden kannst.
Damit es dir und den anderen gut geht.
Und bei all dem vertraue darauf, dass der Gott an deiner Seite ist.
Er gibt dir die Kraft dazu und macht dich mutig.

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