Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Sozial schwach.
So nennt man hierzulande Leute, die von Sozialhilfe leben oder von Hartz vier.
Sozial schwach. Matthias ist auch so einer:
45 Jahre alt und seit drei Jahren arbeitslos.
Dreißig Bewerbungen hat er letzten Monat geschrieben.
Aber jedes Mal heißt es nur: „Leider können wir Sie nicht brauchen."
Dabei lernt Matthias schnell, ist fleißig und hat gute Ideen.
Dass er das nicht zeigen kann, frustriert ihn.
Und so gilt er als sozial schwach.
In dem Haus, in dem er wohnt, ist er genau das Gegenteil.
Wenn zum Beispiel Familie Heber von unten bei ihm klingelt, weil der Computer nicht so will, wie sie wollen, dann ist er da und regelt das. Kein Problem.
Und wenn Frau Beyer ihre Pflanzenkübel wieder aus dem Keller auf den Balkon stellen möchte, ist Matthias ist zur Stelle und wuchtet sie hoch.
Besonders Herr Rabe, der Rentner von nebenan, weiß Matthias zu schätzen.
Herr Rabe war Schlosser, schon mit Vierzehn hat er angefangen zu arbeiten.
Jetzt kann er nicht mehr so, das Treppensteigen in den 1. Stock fällt ihm schwer.
Manchmal kauft Matthias für Herrn Rabe ein.
Ein anderes Mal trinken sie zusammen Kaffee.
Und wenn Herr Rabe das Beamtendeutsch in seiner Post nicht versteht, dann übersetzt Matthias für ihn.
„Matthias, was würde ich nur ohne dich machen?", sagt Herr Rabe und lächelt.
„Gern geschehen", antwortet Matthias und denkt sich: „Ich kann zwar nicht ändern, was mir zu schaffen macht, aber wenigstens anderen kann ich helfen."
Jesus hat das so ausgedrückt: Einer trage des anderen Last.
Matthias macht das.
Und mehr braucht es nicht, damit das Zusammenleben funktioniert.
Die Leute im Haus, denen Matthias hilft, sind glücklich.
Und er ist letztlich auch zufrieden.
Das ist erfülltes Leben.
Weil einer die Last des anderen trägt.
Und das ist alles andere als sozial schwach!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15613
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