SWR2 Wort zum Tag

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Der Mensch ist mehr als die Summe alle Informationen über ihn. Er hat seine unvergleichliche, königliche Würde.
Der Mensch sieht, was vor Augen ist. Gott aber sieht das Herz an. Die Bibel berichtet, dass Gott diesen Satz sagt. Zum Propheten Samuel. Der soll aus einer großen Geschwisterschar einen neuen König aussuchen. Und er achtet dabei vor allem auf Äußerlichkeiten. Ist er groß und stark? Stellt er auch etwas dar? Kann man mit ihm Staat machen?
Der Mensch sieht, was vor Augen ist. Gott aber sieht das Herz an. Das war einmal. Der Mensch braucht Gott heute dazu nicht mehr. Er kann selber längst viel mehr von einem Menschen sehen und wissen als das, was vor Augen ist. Ganz systematisch hat der amerikanische Geheimdienst Menschen ausgespäht. Er möchte wissen, was die Menschen am Telefon sagen. Er möchte wissen, was in ihren emails steht. Um Verbrechen und Terroranschläge zu verhindern, heißt es. Aber muss man deshalb Millionen unverdächtiger Menschen überwachen?
Man könnte einwenden: Niemand braucht ein Handy. Und niemand muss emails verschicken. Niemand muss im Internet surfen. Und dort nach Informationen suchen. Das Problem ist: Millionen Menschen tun das eben. Auch bei uns. Im Übrigen sind wir auch ohne Internet längst so etwas wie gläserne Menschen. Das Einwohnermeldeamt weiß viel über uns. Die Krankenkasse. Das Finanzamt. Und wer sonst auch immer. Dass über mich nur bekannt ist, was andere von mir sehen. Was vor Augen ist. Das ist ein Wunschtraum.
Etwas unheimlich ist mir das schon. Das hat etwas mit meiner Würde zu tun. Es hat etwas damit zu tun, dass ich weiß: Wer solche Informationen sammelt, hat damit etwas im Sinn, was ich nicht so recht weiß. Er verfolgt damit eine Absicht. Und ich weiß nicht, ob ich diesen Datensammlern vertrauen kann.
Bei Gott ist das für mich etwas anderes. Wenn Gott weiß, was mich umtreibt, wenn Gott  mich kennt, mit meinen Stärken und mit meinen Schwachstellen, dann beruhigt mich das eher. Da denke ich: Gott weiß dann ja auch, wo ich Unterstützung brauche. Weil mir etwas zu schaffen macht. Wo ich mich verrenne. Und das Wort der Entschuldigung nicht finde. Aber auch, wo ich meine Stärken habe. Und den Ort finde, wo ich sie einbringen kann.
Ich bin unendlich mehr als nur die Summe dessen, was irgendjemand irgendwo über mich gespeichert hat. Wer Daten sammelt, will in mich eindringen. Will meine Schwachstellen ausspähen. Wenn Gott das Herz ansieht, will er den König oder die Königin in mir entdecken - wie damals, als Samuel einen König finden wollte.

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