SWR2 Wort zum Tag

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„Ich glaube: Wer seine Ängste überwindet, wird erlöst." Sagt der südafrikanische Jazzmusiker Abdullah Ibrahim, der 1934 als Adolph Johannes Brand in Kapstadt geboren wurde.
Er ist im Ghetto groß geworden, unter schwierigsten Bedingungen. Als Kind wurde er geprägt durch die Musik des Gospel, wie sie in vielen schwarzen Kirchen erklang.  Später tauchte er ein in die Welt der Jazzmusik, wobei er seine afrikanischen Wurzeln nie vergaß.
Internationale Konzerte brachten ihm Ruhm und Anerkennung. So wurde er nicht nur zu einer Legende des Jazz, sondern auch zu einer Ikone der Antiapartheidbewegung.
Dann konvertierte er zum Islam. Aber er blieb seiner Grundmelodie treu, die er in einem Lied ausdrückte: „In der Dunkelheit der Nacht, traf ich ihn, okay, sagte ich, leite mich mit deinem Licht."
Das ist auch das Grundmuster des Jazz, sagt er heute. Im Glauben wie im Jazz geht es um das Loslassen von festen Schemata. Um die Bereitschaft zur Improvisation.
Was Loslassen heißt, erklärt er mit einer Geschichte. Wenn in Südafrika Affen gefangen werden, sagt Ibrahim, macht man ein kleines Loch in eine Wand, hinter der man Nüsse versteckt. Der Affe kommt, steckt seine Hand durch das Loch und umklammert die Nüsse mit seiner Faust. Aber er kann sie nicht wieder zurückziehen. Weil er die Faust nicht wieder öffnet. So wird er schließlich gefangen. Hätte er die Hand aufgemacht, wäre er frei gewesen.
Mich erinnert diese Geschichte an einen anderen Mystiker, der dreihundert Jahre früher gelebt hat. Gerhard Tersteegen, ein evangelischer Prediger am Niederrhein. Er dichtete ein Pilgerlied, in dem er das Leben mit einer Wanderschaft verglich, für die man nur leichtes Gepäck benötigte:
„Man muss wie Pilger wandeln, frei, bloß und wahrlich leer; viel sammeln, halten, handeln, macht unsern Gang nur schwer."
Loslassen können, darauf kommt es beiden bei aller Unterschiedlichkeit an. Loslassen von geschriebenen Noten genauso wie von festen Vorstellungen über Gott und die Welt.
Und ich frage mich, wo kommt das in meinem Leben vor? Dass ich mich nicht, wie der Affe in der Geschichte, gefangen nehmen lasse von irgendeiner Nuss, auf die mein ganzes Begehren gerichtet ist. Sondern einfach die Hand öffne. Und so erfahre, wie groß meine Freiheit ist.

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