SWR3 Gedanken

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17. Juni 1953. Streiks, Demonstrationen, Volksaufstand in der DDR.
Welche Rolle spielte die Kirche dabei?
Am Anfang steht der Protest gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen für die Arbeiter von der Berliner Großbaustelle an der Stalinallee. Aber rasch geht es den protestierenden Demonstranten um andere Ziele: Freie Wahlen! Und so weitet sich die Welle der Proteste zum Volksaufstand aus. Panzer. 20.000 sowjetische Soldaten und 8.000 Kräfte der kasernierten Volkspolizei schlagen ihn nieder. Über 70 Tote. 6.000 Verhaftungen.
Der 17. Juni ’53 – alles Geschichte? Längst passé? Sieht so aus, denn Normerhöhung, also kurz das Prinzip „Mehr Arbeit für gleichen Lohn“, führt heute zu keinen Ausschreitungen mehr, nicht einmal die derzeit noch dreistere Kombination bei der Telecom „Mehr Arbeit und weniger Lohn“. Die Angst um Jobverlust reicht.
Auffallend war 1953, dass nicht nur Arbeiter protestierten, sondern viele junge Christinnen und Christen. So demonstrierten zum Beispiel in Görlitz 30.000 Menschen, stürmten SED-Büro und Stasi-Zentrale. Schüler, darunter Mitglieder der Jungen Gemeinde, warfen Stalin-Bilder aus den Klassenzimmern, mehrere hundert Frauen wurden aus einem Gefängnis befreit. Bischof Hornig unterstützte am 18. Juni die Forderungen der Aufständischen und solidarisierte sich mit ihnen und brachte die Forderungen beim sowjetischen Stadtkommandanten vor!
Aber die anderen Kirchenleitungen dachten nicht so. Sie wollten den eine Woche vorher ausgehandelten Kompromiss nicht gefährden, in dem der Staat seine Repressionsmaßnahmen gegen junge Christen zurücknahm. In Gera bot Bischof Moritz Mitzenheim der Volkspolizei an, über den Stadtfunk für Ruhe zu sorgen. Zur selben Zeit wurde sein Bruder, der Pfarrer Edgar Mitzenheim, verhaftet, weil er in Berlin eine Resolution überreichte, in der u.a. der Rücktritt der Regierung und die Einheit Deutschlands gefordert wurde. Ganz unterschiedliche Rollen!
Der 17. Juni 1953, auch wenn er im kalten Krieg benutzt wurde, bleibt auch ein Datum der Zivilcourage und des Einsatzes für Menschenrechte und Selbstbestimmung. Und sie wurzelt in der christlichen Glaubens- und Gewissensfreiheit.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1552
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