SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Alle Menschen sind aufgerufen, etwas gegen die Armut zu tun.
Armut ist ein Skandal! Ich finde es schwer erträglich, dass laut dem letzten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesrepublik Deutschland jeder sechste Mensch von Armut bedroht ist, darunter viele Kinder!
Im Gleichnis vom Reichen Mann und armen Lazarus erzählt Jesus von einem reichen Mann, dem der arme Mensch Lazarus vor seiner Tür gleichgültig ist. Hunde lecken ihm die Wunden. Von dem reichen Mann erfährt er keine Hilfe. Im Gegenteil, er sieht ihn anscheinend gar nicht. Allerdings: Jesus nennt den Namen des armen Mannes. Lazarus. Der reiche Mann bleibt namenlos.
Doch die Rechnung wird an ihn adressiert. Wenn das Leben auf dem Spiel steht, werden Rechnungen fällig. Für alles, was wir erleben und verbrauchen muss bezahlt werden. Und am Ende des Gleichnisses sehnt sich der Reiche danach, dass ihm die Zunge gekühlt werde - vergeblich.
Wenn Menschen arm sind, haben sie kaum eine Chance, an der Gesellschaft teil zu haben. Wer kein Geburtstagsgeschenk kaufen kann, freut sich nicht mehr über die Einladung. Unsere Gemeinde trägt einen Stadtteiltreff mit, der zur Anlaufstelle für Menschen mit geringen Einkommen geworden ist. Kinder können dort gratis Musikunterricht bekommen, und sie dürfen Wunschzettel abgeben. Da wünschen sich Kinder Spiele, wie andere Kinder auch, aber auch Stiefel oder einen Ranzen, weil doch die Schule bald anfängt. In die Ferien fahren diese Kinder übrigens in der Regel nicht - ihre Familien haben kein Geld dafür.
Armut hat ein Gesicht und einen Namen, z. B. die Namen dieser Kinder, die in unmittelbarer Nachbarschaft in den teuersten Wohngebieten von Mainz wohnen. Zwei Straßenzüge weiter leben Kinder, die sich alles leisten können. Immerhin: Beim Konfirmandenunterricht lernen sie sich kennen, obwohl es leider auch Kinder gibt, die von ihren Eltern nicht angemeldet werden, weil sie meinen, dass sie sich die Konfirmationsfeier nicht leisten können.
Es ist eine ernste Sache, das Leben. Und wunderschön - zu schön, um zu verschmachten vor Sehnsucht danach.
Im Gleichnis vom namenlosen Reichen Mann und dem armen Lazarus ist es keine Frage, dass es eine ausgleichende Gerechtigkeit gibt. Fertige Rezepte habe ich gewiss nicht. Und das Thema Armut ist auch nicht angenehm, ganz sicher. Aber ich muss es mir schon zumuten, hinzuschauen. Schließlich: Ich will meinen Namen nicht verlieren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15519
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