SWR2 Wort zum Tag

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Jesus war kein Einzelkämpfer, in seine Jüngergruppe berief er unterschiedlichste Menschen
Jesus war kein Einzelkämpfer. Er bittet Menschen, ihm zu helfen. Ihre Namen werden in der Bibel genannt: Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes, ja, und auch Judas ist dabei. Gott hält es aus, dass sich Menschen auch gegen ihn entscheiden, selbst wenn das eine tödlich falsche Entscheidung ist. Manche Theologen meinen, dass Judas eigentlich mit seinem Verrat Jesus nur provozieren wollte, endlich seine Macht zu zeigen. Vieles spricht für diese These. Nun: Gott kann niemanden zwingen, ihn zu lieben, umgekehrt kann auch kein Mensch Gott zwingen, das Himmelreich beschleunigt auf die Erde zu bringen. Wie viele Menschen versuchen fanatisch, Gott die Arbeit abzunehmen. Schrecklich ist das. Wenn Menschen das Himmelreich selbständig in die Hand nehmen, ist noch meistens die Hölle daraus geworden - in allen Religionen. Übrigens wird es in der atheistischen Variante nicht besser, das haben die kommunistischen und faschistischen Diktaturen eindrücklich gezeigt. Gott behüte uns vor Menschen, die wissen, was das Beste für uns ist und das auch notfalls mit Gewalt durchsetzen.
Jesus ist kein Einzelkämpfer, er bittet Menschen um Hilfe. Auch Judas. Er wird ein besonderer Mensch gewesen sein, mit Fähigkeiten, die Jesus hoch schätzte. Ich glaube nicht, dass er ein Dieb gewesen ist, wie es das Johannesevangelium behauptet. Diese Unterstellung ist wohl eher der Versuch, das Ansehen dieses Jüngers im Nachhinein zu schädigen. Dabei hat er sich wohl am meisten selbst geschadet - zuletzt auch seinem Leben ein Ende gesetzt. Auch da hat er Gott die Arbeit abnehmen und seinen Tod selbst in die Hand nehmen wollen. Ich stelle mir vor: Er war ein entschlossener Mann, jemand, der es nicht gut aushalten konnte, abzuwarten. Gewiss wird er im Kreis der Jünger mit seinen Fähigkeiten aber eine wichtige Funktion gehabt haben. Es ist klug, in einer Gruppe Menschen mit ganz unterschiedlichen Begabungen zusammen arbeiten zu lassen, nur so können sich ihre Talente vervielfältigen. Mit Leuten, die alle eine Meinung haben, kann es sehr schnell langweilig werden. Und langweilig war die Gruppe sicher nicht, die Jesus sich zusammengestellt hat.
Wenn Jesus kein Einzelkämpfer war, lohnt es sich zu überlegen, in welcher Gruppe ich mit wem arbeiten möchte. Das ist durchaus riskant, sicher kann man auch verraten werden. Aber nur Menschen, die anders sind als ich, fordern mich heraus und können mich dabei fördern und mich, hoffentlich, davor bewahren, die Welt nur aus meiner Perspektive zu sehen.

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