SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Am Wochenende war unser jüngster Sohn bei seinem Patenonkel. Er kommt zurück und ist schlecht gelaunt. Anhaltend. „Was ist denn los?" will ich wissen. „Ich wäre gerne noch dageblieben," meint er grimmig. Ich kann ihn verstehen. Ich war auch gerne bei meinem Onkel zu Besuch. „Komm," sage ich deshalb, „lass uns was Nettes machen. Gehen wir Schwimmen." „Nö, keine Lust." Er ist weiter schlecht gelaunt. Ich hake nach: „Aber ihr seid doch auch Schwimmen gegangen!" „Ja, mit meinem Patenonkel macht das auch Spaß," sagt mein Sohn.

Super, denke ich, das ist eine klare Ansage. Mit dem Onkel macht der lauter schöne Sachen: Schwimmen gehen, zum Bäcker fahren, Fußball spielen. Aber mit mir will er nicht. Ich bin verärgert. Aber ich kann unseren Sohn auch verstehen. Bei anderen ist es ja vor allem für Kinder einfach immer viel besser. Beim Onkel auf Besuch gibt's jeden Morgen Brötchen, bei den Großeltern dürfen die Kinder lange aufbleiben und kriegen Süßigkeiten, bei Freunden darf man viel länger Computerspielen als zu Hause und die Nachbarn haben einen niedlichen kleinen Hund, den wir nicht wollen. Zu Hause ist es einfach immer langweilig. Weil immer Alltag ist. Weil alles bekannt ist. Weil es kaum Überraschungen und wenig Besonderes gibt.

Und wenn ich ehrlich bin: Mir geht es ja auch manchmal so. Zu Hause bin ich auch mal schlecht gelaunt, mich nervt manches und manchmal muss ich einfach raus an die frische Luft, Abstand gewinnen. Aber bei anderen stecke ich fast alles weg, bin fast immer gut gelaunt, lasse mich nicht aus der Ruhe bringen.

Aber ich weiß auch: Dass ist nur so, weil es ein „zu Hause" und ein „Woanders" überhaupt gibt. Weil es den Alltag gibt - und weil es den Urlaub, das Fest gibt. Ich bin sicher, dass es beides braucht. Ich brauche den Alltag, das vertraute Umfeld, das ich kenne. Und ich brauche es, dass ich mich auch einfach einmal gehen lassen kann. Schlecht gelaunt bin, wenn es mir nicht so gut geht, routiniert den Tag bestehe, ohne dass etwas Besonderes passiert. Und genauso wichtig ist es, das Besondere zu erleben, woanders. Zu erleben, dass der Tag auch ganz ungewöhnlich verlaufen kann, zu erleben, dass Menschen den ganzen Tag Zeit für einen haben.

Und so kann ich das aushalten, dass mein Sohn zu Hause auch schlecht gelaunt ist. Und ich habe den Eindruck: Er selbst spürt das auch, wie wichtig es ist ein Zuhause und auch ein Woanders zu haben. Denn meistens kriegt er dann doch noch gute Laune.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15512
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