SWR2 Wort zum Tag

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Zum 1ooo. Geburtstag von Hermann dem Lahmen

Wie selbstverständlich zählen wir ddie Stunden nach Minuten. Dass das ein gelähmter Mönch erfunden hat, weiß kaum einer. Dieser Hermann der Lahme  ist vor 1ooo Jahren  im südschwäbischen Altshausen geboren worden, am 18. Juli exakt.  Früh kam er ins Kloster Reichenau im Bodensee, das ja auch heute noch zu bewundern ist. Dort wurde er einer  der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit, eine Art Universalgenie. Großes  hat er in seinen  nur 41Lebensjahren geleistet - im Bereich der Mathematik und Musik, der Kalenderforschung und Geschichtsschreibung.

Was veranlasst einen Mönch,  sich über Einteilung und Wesen der Zeit Gedanken zu machen? Warum entwickelt er Instrumente zur Zeitmessung und teilt den Stundentakt in  noch kleinere Einheiten?   Noch wars ja nicht so wie heute, dass die Menschen über Zeitknappheit jammerten oder sich damit wichtig machten, keine Zeit zu haben.  Damals fing man gerade erst an, die geläufigen Sonnenuhren durch mechanische Zeitmesser zu ergänzen. Also was trieb den spastisch  gelähmten, ständig an einen Tragstuhl gefesselten Mönch um?  Es war  der Wunsch, die Gebetszeiten und Christenfeste genau festzulegen  - und damit natürlich dem Tagwerk der Mönche zu dienen, dem Rhythmus ihres Lebens. Dabei steht die Feingliederung der Zeit in einem grösseren Zusammenhang: gestundet nur und befristet in jedem Augenblick und doch eingezeichnet in den Gang der Gestirne und in das Ordnungsgefüge die Sterne. Wie schnell die Zeit vergeht und wie kostbar jeder Augenblick ist, wusste man  auch damals sehr wohl. Zudem war ja die Lebenserwartung viel kürzer  als heute.. Aber es war noch nichts von dieser Hektik zu spüren, die unsereinen unter dem Terror der Termine dahinjagt und manchmal die Zeit wortwörtlich auch totschlagen lässt.  Dieser Hermann der Lahme arbeitete an einem Zeitverhalten, das ganz eingeborgen blieb in  jenes  Weltvertrauen, das aus dem  christlichen Schöpfungsglauben kommt: „alles hat Seine, hat Gottes  Zeit",  steht in der  Bibel:  der gütige Gott gibt und lässt allem die Zeit, die es braucht.

„Wer glaubt, beschleunigt nicht" , so folgert ein anderer Bibelvers treffend (Jes 28,16).  Wer glauben darf, steht in einem größeren heilen und heilenden Zusammenhang. Er braucht nicht hektisch und panisch zu werden, er braucht aber auch nicht zu verlangsamen oder Zeit zu verplempern. Gerade ein lahmer Christenmensch sorgt mit dafür, dass wir nicht erlahmen.... Mit unseren Quarz- und Atomuhren  heute könnten wir noch genauer für den richtigen Lebensrhythmus sorgen, vor allem mit der Achtsamkeit auf die innere Uhr  und das Gespür für den richtigen Augenblick. Ein gelähmter Mönch kann auch tausend Jahre danach  noch auf die Beine helfen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15427
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