SWR2 Wort zum Tag

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Liebevoll schaut der 70 Jährige Teilhard de Chardin zurück auf sein Leben. Seine kleine Schrift „Das Herz der Materie" ist nicht nur ein kostbares Testament, es ist auch ein Lehrbuch spiritueller Lebensart. Gleich zu Beginn benennt  Teilhard de Chardin, der große Naturforscher und Glaubensvisionär, den roten Faden seines Lebens:: er spricht vom „Sinn für die Fülle",   „ für die Voll-Endung und Er-Gänzung" .Der Mensch will aufs Ganze gehen, in ihm ist ein Hunger nach mehr - und  das Bekenntnis  zum Heiligen Geist, der das Angesicht der Erde verändert, antwortet genau darauf.

In drei Dimensionen der Welt und des Lebens sieht Teilhard  diesen Sinn für die Fülle am Werk, diese schöpferische Gotteskraft: Zuerst und vor allem in der Materie. Die früheste und umwerfendste Erfahrung, die Teilhard aus seiner Kindheit erinnert, ist das Stück Eisen in der Hand. Dass es etwas so Festes und Verlässliches gibt wie Materie, so schwergewichtig und massiv wie Eisen und Stein - das fasziniert ihn zeitlebens. Dass wir auf Erden sind und Boden unter den Füßen haben, das wird ihm zum tiefsten Ausdruck von Gottes Treue, zum Inbegriff göttlicher Bodenhaftung. So kommt der Himmel auf die Erde und die Erde in den Himmel. Im Zusammenspiel damit ist es zweitens die Evolution, die den großen Christenmenschen fasziniert: Die Artenvielfalt, die Balance zwischen Statik und Bewegung, das Austreiben und Streben nach Licht und Frucht und Vermehrung - welche Faszination im Reichtum des Lebens!  „Komm, Schöpfer Geist, der alles lebendig macht". Dem  evolutiv eingestifteten Sinn für die Fülle korrespondieren die Verheißungen Gottes, wie sie Jesus lebt und darstellt. . Was in ihm erfüllt wurde, will in allem erfüllt sein. An dritter Stelle erst, aber natürlich entscheidend, spricht Teilhard de Chardin in seinem Testament vom Menschen, von Menschwerdung und Hominisation. Vom Risiko der Freiheit ist da die Rede, von der Lust des Liebens und Denkens und vor allem von der Lust anzubeten und sich selbst zu übersteigen ins Größere hinein. Nicht zufällig bekennt der männliche Forscher, dieses Genie der Erotik, am Schluss voller Dankbarkeit, „dass sich nichts in mir entfaltete, es sei denn unter dem Blick und unter dem Einfluss einer Frau".  Die ganze Welt und das eigene Leben werden gesehen im Bild der heiligen Kommunion, der liebenden Wiedervereinigung zwischen Gott und Mensch. „Komm, Heiliger Geist", der in diesem Sinne Leben schafft    und Gegensätze   in versöhnter Verschiedenheit zusammenhält.. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15424
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