SWR3 Gedanken

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Meinen Freund Thomas und mich verbindet eine lange Freundschaft. Wenn wir uns nicht sehen konnten, haben wir wenigstens miteinander telefoniert. In letzter Zeit hat sich aber irgendwas verändert. Inzwischen gibt es am Telefon sogar Gesprächspausen.
Klar, unsere Lebensstile haben sich verändert, vielleicht auch voneinander entfernt. Er jettet beruflich und privat durch die Welt und ich bin im beschaulichen Odenwald fest in meinem Job.
Ich glaube aber, der Knackpunkt ist, dass ich seit Ewigkeiten darauf warte, dass er mal nach mir und meinem Leben fragt. Ich hab immer das Gefühl, er belächelt es ein bisschen.
Wenn ich ehrlich bin, stört es mich, dass ich in dieser Freundschaft immer weniger vorkomme. Genau zu dem Thema hat Papst Johannes XXIII. in den 60er Jahren einen super Satz gesagt. Er hat erzählt, dass er sich seinen Aufgaben als Papst nicht gewachsen fühlt. Im Traum ist ihm dann ein Engel erschienen. Dem hat er seine Sorgen anvertraut. Der Engel hat nur gesagt: „Johannes, nimm dich nicht so wichtig."
Das ist der Satz für meine Freundschaft mit Thomas. „Johanna, nimm dich nicht so wichtig". Ich kann nicht erwarten, dass alles nur von ihm kommt. Dass er immer nur nach mir fragt. Ich muss mich auch selbst einbringen.
„Nimm dich nicht so wichtig" verstehe ich aber nicht als Selbstaufgabe. „Nimm dich nicht SO wichtig." Das heißt für mich: nimm dich wichtig, aber erwarte nicht zu viel, hab Geduld und mach den Mund auf. Sonst kann Thomas ja gar nicht wissen, dass es mich ärgert.
Der Satz passt für mich auch gut zu meiner Arbeit. Wenn mir in unserer Teamsitzung was nicht passt, staut sich bei mir oft Wut an und ich ärgere mich kolossal über die anderen. Nimm dich nicht so wichtig heißt hier: lass doch das Problem nicht nur bei Dir, sondern sprich es an.
Wenn ich das schaffe, dann nehme ich mich wichtig. Aber eben nicht so wichtig.

 

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