SWR2 Wort zum Tag

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Was tun Sie, wenn Ihnen Unrecht widerfährt?
Wo immer Menschen zusammen leben, ist Unrecht möglich.
In jeder Ehe kann es einen treffen. Belastungen werden ungerecht verteilt.
In jedem Arbeitsleben: Man wird von Vorgesetzten übergangen, ungerecht beurteilt.
Und Staaten schaffen es auch nicht, allen Bürgern gerecht zu werden. Selbst die, die es wollen. Von den anderen ganz zu schweigen.
Wie gehen wir um, mit Unrecht?
Eigentlich hat man grundsätzlich drei Möglichkeiten: Loyalty, exit oder voice.
Das hat Albert O. Hirschman in seiner politischen Theorie deutlich gemacht.
Albert Hirschmann ist als deutscher Jude geboren, verfolgt von den Nazis, emigriert in die USA, einer der wichtigen politischen Theoretiker des 20. Jahrhunderts. Letztes Jahr ist Albert Hirschman gestorben.
Wie gesagt, drei Möglichkeiten sieht er, wenn einem Unrecht widerfährt:
Loyalty: Man verhält sich loyal, trotz des Unrechts.
Exit: Man sucht einen Ausgang, indem man real flüchtet oder man geht in die innere Emigration.
Oder drittens voice, Stimme: Man erhebt seine Stimme als Bürger. Stimmt ab. Ist verstimmt als Verbraucher. Bestimmt mit in der Gesellschaft. In einer Institution. In einer Kirche.
Und „voice" privat: Man spricht Probleme an, wenn eine Beziehung aus der Balance gerät. Loyalty, exit oder voice.
Ich habe mich gefragt, was ist meine bevorzugte Option. Auch als Christ? Loyalität? Innerer Friede?
Jesus hat ausdrücklich „voice" empfohlen. In einer kleinen Geschichte.
Was besonders überrascht für seine Zeit, seine Heldin der Stimme ist eine Frau. Eine Witwe (Lk 18, 1-11).
Man hat ihr ihr Recht verweigert. Aber sie gibt nicht klein bei. Nicht einmal um des lieben Friedens willen. Penetrant protestiert sie bei dem Richter.
Und das in einem Rechtssystem, in dem sie strukturell völlig unterlegen ist.
Sie eine jüdische Frau, alleinstehend gegen den Richter der römischen Besatzungsmacht. Die Erfahrung müsste ihr sagen, Du hast keine Aussicht auf dein Recht. Umso eindrücklicher ist diese Heldin der Stimme.
Sie schweigt nicht, bis der Richter einlenkt, nicht aus Einsicht,
sie wird ihm zu anstrengend.
Jesus plädiert für diese Frau und fürs Stimme erheben, wenn Unrecht geschieht.
Wenn irgend möglich: Nicht auf die eigene Stimme verzichten. Nicht „exit", sondern voice. Kein Rückzug in die innere oder äußere Emigration.
Rechte einfordern. Unrecht aussprechen, ansprechen, widersprechen.
Am Ende seiner Geschichte setzt Jesus dann noch eine zweite Pointe:
Stimme erheben gilt auch vor Gott. Wenn schon ein ungerechter Richter zuhört, dann wie viel mehr Er.

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