SWR2 Wort zum Tag

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Aza weiß genau was sie will. Sie ist acht Jahre alt und kommt aus Russland. Vor ein paar Wochen ist sie zusammen mit ihrer Familie im Asylheim in Stuttgart angekommen. Übergangsweise. Sie wohnen zusammen mit einigen anderen Familien im sogenannten „Übergangswohnheim".
Alle die hier sind, haben ihre Heimat verloren. Aza und ihre Familie ist vor dem Bürgerkrieg in Tschetschenien geflüchtet. Der Vater trinkt viel. Er hadert mit seinem Schicksal, weil die junge Familie alles verloren hat.
Aza ist die Einzige in dem Asylwohnheim, die schon nach ein paar Wochen sehr gut Deutsch spricht.
Deshalb hat sie nur einen Wunsch: Sie will in die Schule gehen. Sie ist ja schon acht und kann ihren Namen schreiben und gut rechnen. Noch fehlt die Erlaubnis dazu. Die Asylbetreuer kümmern sich darum.
Aza hat mir erzählt, sie will hier bleiben, weil in Russland sei es nicht gut gewesen. „Hier ist es gut. Ich will hier zur Schule gehen und studieren und Geld verdienen und meiner Mama alles kaufen, alles alles." Sie macht sich große Sorgen.
Wenn Frau Baumann zum Beispiel auf Besuch kommt, ist Aza es, die sich für ihre Familie einsetzt und übersetzt.
Frau Baumann wohnt in der Nachbarschaft und hat ein Herz für die junge Asylbewerber-Familie. Jeden Tag kommt sie vorbei und fragt, ob die Familie Hilfe braucht. Sie hilft bei den Behördengängen, hilft übersetzen, lernt mit Aza Deutsch und sammelt das Nötigste, was die Familie zum Leben braucht. So hat sie für Azas kleinen Bruder ein Kinderbett besorgt, damit er nicht mehr im Kinderwagen schlafen muss. Sie bringt Kleidung, Möbel, Spielsachen, Bücher. Frau Baumann ist so etwas wie ein Engel für Azas Familie und die rund 30 anderen Mitbewohner in dem Asylwohnheim.
Für sie ist das selbstverständlich. „Ich will den Menschen auf der Flucht hier bei uns ein Stückchen Heimat und Geborgenheit schenken. Egal, ob sie bleiben können oder wieder weiterziehen müssen." Aza will bleiben, das weiß Frau Baumann. Noch ist das Schicksal der jungen Familie unklar. Doch der Leiter des Caritas-Asylheims ist zuversichtlich.
Als ich Aza drei Wochen später wieder besuche, strahlt sie mich überglücklich an. Seit zwei Tagen geht sie zur Schule. Endlich, die Familie darf bleiben.

 

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