SWR3 Gedanken

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Vor drei Wochen haben wir einen Zweig eingepflanzt, ihn festgebunden und jeden Tag gegossen. Ein Holunderbusch sollte aus ihm werden, so unsere Hoffnung. Inzwischen wird klar, dass das kleine Experiment gescheitert ist. Wie es aussieht, konnte der Zweig wohl doch keine Wurzeln schlagen und ohne Wurzeln wächst nun mal nichts.

Eine Binsenweisheit, die ja nicht nur für Pflanzen gilt. Im übertragenen Sinn brauche ich sie nämlich genauso. Wurzeln, die mich festhalten, wenn mir der Sturm um die Ohren pfeift. Verwandte, Freunde. Menschen also, die es gut mit mir meinen. Das Gefühl geben, dazu zu gehören.

Im letzten Jahr sind mehr als eine Million Menschen zu uns gekommen. Als neue Mitbürger,  Nachbarn, Arbeitskollegen. Wenn ich in meinem Job als Hochschulseelsorger mit jungen Studierenden aus Afrika oder Asien zu tun habe, dann ahne ich immer, was das für diese Menschen bedeuten muss. Fast alles haben sie zurückgelassen. Familie, Freunde, Kultur. Die eigenen Wurzeln also. Plötzlich Fremder zu sein, mit brüchigen Deutschkenntnissen und ohne sicheren Stand. Doch an unseren Studierenden erlebe ich auch, wie so ein Experiment gelingen kann.  Wenn sie sich nach und nach immer besser verständigen können, Kontakte knüpfen, Freunde finden. Kurz: wenn sie es schaffen, Wurzeln zu schlagen im neuen Land. Eine faszinierende Erfahrung. Immer wieder. Damit das auch jenen gelingen kann, die jetzt neu bei uns sind, sind wir gefragt. Als Mitbürger, Nachbarn, Arbeitskollegen und wohl auch als Glaubensgemeinschaft. Denn ohne Wurzeln kann nichts wachsen. Und Früchte bringen schon gar nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15313
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