Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„So wie die katholische Kirche in Deutschland ist, hat sie keinen Bestand". Das ist das Fazit einer jüngeren Befragung unter Katholiken. Durchgängig sorgen sich die Befragten um den desolaten Zustand ihrer Kirche, identifizieren sich kaum noch mit den Kirchenleitungen und kritisieren eine rückwärtsgewandte Kirchenpolitik. Von der kirchlichen Moral distanzieren sie sich, und von den Glaubensinhalten akzeptieren sie nur eine Auswahl.

Ich kann mir gut vorstellen, wie diese Umfrage unter Katholiken manchem Kirchenverantwortlichen in die Glieder gefahren sein muss. Auflösung und Verfall werden da an die Wand gemalt. Düstere Aussichten für die Zukunft.

Dann stoße ich auf weitere Ergebnisse der Umfrage. Viele der befragten Katholiken weisen der Kirche trotz der Kritik eine mögliche wichtige Rolle zu: Zum Beispiel als Gegner einer schrankenlosen liberalen Wirtschaftsordnung, in der Profit und Kapital den Vorrang vor den Menschen haben. Diese Katholiken liegen doch eigentlich ganz richtig, denke ich, sie pochen auf eine Wertung, die wir aus der Bibel kennen: Menschen sind immer wichtiger als Geld, Gott ist wichtiger als die Götzen „Profit und Konsum", und eine gerechte Wirtschaftsordnung muss auch vom Prinzip des Teilens getragen sein. Recht haben diese Katholiken, wenn sie von ihren Kirchenleitungen erwarten, dass sie hier Partei ergreifen.

Die Umfrage fördert nicht nur Kritik zutage. Das Kirchenvolk zeigt auch Perspektiven auf. Und vielleicht hat es ja recht mit seiner Wertung, dass aktuell kritische kirchliche Aussagen zu Geld und Macht wichtiger sind als zur Sexualmoral.

Wir sprechen zunehmend von „Schwarmintelligenz" und meinen damit zusätzliche, überraschende Erkenntnisgewinne, die von der großen anonymen Menge hervorgebracht werden. In der katholischen Kirche würden wir wahrscheinlich weniger von „Schwarm-" als von der „Herdenintelligenz" sprechen. Es könnte sein, dass die Befragungsergebnisse ein Ergebnis dieser Herdenintelligenz sind. Das sollten die Hirten nicht nur als Kritik, sondern auch als Perspektive ernst nehmen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15306
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