Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Das darf doch nicht wahr sein!" - entweder, weil etwas passiert ist, was uns sehr verwundert; weil jemand sich so anders verhalten hat, als wir es erwartet haben; weil etwas anders eingetreten ist, als wir es gedacht haben. Wie dem auch sei: „Das darf doch nicht wahr sein!" Das haben Menschen in der Bibel auch gedacht. Besonders im Blick auf Jesus Christus war das öfters der Fall. Da hat er, anstatt den angesehenen Bürgern einer Stadt seine Aufwartung zu machen, lieber mit den sozial auffälligen gegessen und getrunken, „Tischgemeinschaft" gehabt. Da hat er, entgegen aller Konventionen und allseits anerkannter Gebote, getan, was er wollte und für richtig hielt. Da hat er sich, alle Regeln des Anstands missachtend, z. B. auch Aussätzigen, Leprakranken, zugewandt und körperlichen Kontakt gesucht. Da hat er, anstatt auf Fragen zu antworten, seine Gegenüber in Frage gestellt und damit zutiefst verunsichert. Das alles „darf doch nicht wahr sein!" Denn, wo kämen wir da hin, wenn sich keiner mehr an das halten würde, was gesellschaftlicher Konsens ist? Das Chaos wäre doch vorprogrammiert, oder?! „Das darf doch nicht wahr sein!" denn, sonst würde sich ja was ändern. Wenn Einzelne tun würden, was sie für richtig halten und ihrem Herzen folgen würden, dann kämen Vorurteile und übernommene Regeln ins Wanken. Aber wäre das so schlimm? Wie sonst könnten und würden sich Dinge verändern und weiterentwickeln?! Wie denn sonst könnte unsere Welt menschlicher werden? Ich würde gerne, wie Jesus, unabhängiger werden von den überkommenen Regeln, Maßstäben und Verhaltensweisen. Warum nicht einfach mal auf Menschen zugehen, die sonst gemieden werden, und Kontakt mit ihnen suchen? Warum nicht mal Menschen in meiner Umgebung ansprechen, fragen wie es ihnen geht oder wie ich ihnen helfen kann? Warum nicht einfach mal mit anpacken, wenn ich sehe, dass es der andere kaum schafft? Lesen Sie doch einfach mal in der Bibel nach, wie Jesus das gemacht hat damals. Mich fasziniert das. Wenn ich mir vorstelle, heute so „anders" zu sein wie er damals, dann merke ich auch: Dazu braucht es keine große Planung, keine ausgefeilten Programme. Eine Portion Menschenfreundlichkeit und Nächstenliebe genügt, und schon sieht die Welt ein klein bisschen anders aus. Und vielleicht bekäme dann der Ausspruch „Das darf doch nicht wahr sein!" irgendwann einmal diesen anderen, staunenden und anerkennenden Klang.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15209
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