Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Heute Abend fliegen sie wieder. Auf Besen und Mistgabeln sausen Hexen durch die Luft. Sie treffen sich mit dem Teufel zum Hexentanz und feiern bis zum Morgengrauen ein rauschendes Fest. So jedenfalls will es der Volksglaube wissen, wenn es darum geht, was angeblich in der Nacht zum 1. Mai passiert. An so etwas glaubt heute niemand mehr. Doch vor 400 Jahren war dieser Glaube allgemein verbreitet - und hatte tödliche Nebenwirkungen. Denn er kostete vielen Menschen das Leben. Im 17. Jh. glaubte man allen Ernstes, dass es Menschen gibt, die mit Zauberkräften ausgestattet sind. Sie sollten mit dem Teufel im Bund stehen und Unheil über die Menschheit bringen. Man nannte sie Hexen. Sie wurden für Krankheiten und Missernten verantwortlich gemacht. Um heraus zu finden, wer eine Hexe war, wurde so lange gefoltert, bis die Frau oder der Mann unter Schmerzen zugaben, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Da konnte jeder zur Hexe werden. Nur ganz wenige widersprachen diesem Wahnsinn. Einer von ihnen war Friedrich von Spee. Der Jesuitenpater ging in Gefängnisse und sprach mit den Angeklagten. Viele begleitete er bis zur Hinrichtung. Dadurch erfuhr er die grausame Wahrheit: Die Menschen, die verurteilt und hingerichtet wurden, waren in Wirklichkeit gar keine Hexen. Es waren Unschuldige, die man zu Hexen gemacht hatte! Friedrich von Spee war entsetzt. Unter Lebensgefahr schrieb er darüber ein Buch. Fürsten, Richter und Geistliche forderte er darin unmissverständlich auf, dem Hexenwahn ein Ende zu setzen. Vor allem die Folter war ihm ein Dorn im Auge. Denn wer foltert, um die Wahrheit herauszufinden, quält und tötet auch Unschuldige. Um das zu verhindern, gab es für Spee nur eine Möglichkeit: Lieber einige Schuldige laufen lassen als auch nur einen Unschuldigen zu bestrafen. Spees Worte fanden Gehör. Der Hexenwahn ließ nach, wenn auch nur sehr langsam. Die Botschaft von Spee bleibt aktuell bis in unsere Tage. Menschen dürfen nicht gequält werden - auch nicht, um die Wahrheit heraus zu finden.

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