Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Eigentlich bin ich vom Guten in jedem Menschen überzeugt. Manchmal wird diese Überzeugung jedoch auf eine harte Probe gestellt. So hat mich vor einigen Monaten der Dopingfall des Radprofis Lance Armstrong doch sehr an meinen Glauben an das Gute im Menschen zweifeln lassen. Schlimm genug, dass der amerikanische Radrennfahrer verbotene Substanzen eingenommen hatte. Schlimm genug auch, dass er systematisch gelogen hatte. Richtig entsetzt aber war ich darüber, wie Armstrong mit seinen Mitmenschen umgegangen war. Wer nicht bereit war, für ihn zu lügen, den machte er systematisch fertig. Armstrong beschimpfte und verklagte mehrere seiner früheren Mitarbeiter und Kollegen, nur weil sie die Wahrheit sagten. Er zerstörte den guten Ruf und die Existenz anderer, nur um selbst Karriere machen zu können. So, als bestünde das Menschsein alleine darin, ohne Rücksicht auf andere nur nach dem eigenen Vorteil zu streben. Ganz so, wie es der englische Philosoph Thomas Hobbes einmal sagte: „Der Mensch ist des Menschen Wolf." Manchmal könnte man tatsächlich meinen, dass das die eigentliche Definition des Menschen ist. Ich bin nicht dieser Ansicht. Kein Mensch ist von Grund auf nur schlecht - genauso wenig, wie es Menschen gibt, die nur gut sind. Jeder Mensch ist immer sowohl zum Bösen wie auch zum Guten fähig. Selbst dann, wenn ein Mensch in der Vergangenheit rücksichtslos gehandelt hat, gilt auch für ihn, dass er in Zukunft seine Menschlichkeit entfalten kann. Ich halte mich da an eine Aussage der Bibel, die besagt: Der Mensch ist als einziges aller Geschöpfe vom Geist Gottes angehaucht. Es gibt wohl Menschen, denen man das nicht unbedingt anmerkt. Dennoch bleibe ich vom Guten in jedem Menschen überzeugt, d.h. ich traue jedem Menschen zu, dass er über sich hinaus wachsen kann - auch wenn nicht jeder diese Chance ergreift.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15197
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