SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Jedem wurde soviel zugeteilt, wie er nötig hatte. Dieser Satz aus der Apostelgeschichte in der Bibel  fasziniert mich immer wieder.Er ist so passend und hilfreich als Maßstab für ein glückliches Leben, so simpel und doch so genau. Und was mir auffällt: Das Wort Gott kommt in ihm nicht vor. Er hört sich gar nicht an, wie ein religiöser Satz, wie einer der frommen Sprüche. Und doch verrät er mir etwas davon, von welcher Art Gott ist und was er sich von uns erwartet. Solche Hintergründigkeit brauchen wir in Glaubensfragen heute mehr denn je. Nicht das Offensichtliche, nicht die missionarische Peitsche oder den moralischen Holzhammer. 

Der Verfasser des biblischen Buches, aus dem der Vers entnommen ist, die Apostelgeschichte, hält dem Leser keine theologischen Abhandlungen. Der Evangelist Lukas knüpft vielmehr an dem an, was das Zusammenleben von Menschen ausmacht. Er interessiert sich für ihre Umgangsformen, zum Beispiel dafür, wie sie Entscheidungen herbei führen, ob es demokratisch dabei zugeht oder autoritär. Und wieder und wieder kommt er auch auf das Alltägliche zu sprechen: auf das Gebetsleben, die Tischsitten und die Vermögensverhältnisse. Lukas ist davon überzeugt, dass sich daran viel besser und unübersehbar erkennen lässt, ob Menschen an Gott glauben oder ob sie nur so tun. 

Wie geht die Jesus-Gemeinde mit ihrem Eigentum um, wie machen das Christen heutzutage? Damals vor knapp 2000 Jahren haben einzelne Gemeinden es mit einem „kommunistischen" Prinzip probiert: alles in einen Topf, alles gemeinsam, jedem sein Teil, ohne Unterschiede. Sie sind davon ausgegangen, dass es letztlich gar kein persönliches Eigentum gibt, dass alles Gott gehört. Und die Dinge, die wirklich wichtig sind, gibt es ohnehin gratis: Gesundheit, Freude, die Liebe, meine Existenz. Weshalb sich also um ein paar Geldmünzen hier und ein Stück Grund und Boden da streiten. Dass der Neid auf den anderen den Anfang vom Ende des Gottesglaubens bedeutet, ist ihnen sehr bewusst gewesen. Sie haben sich davor gehütet, so gut es ging. 

Von der Form eines edlen Kommunismus sind wir heute natürlich weit entfernt, auch in der Kirche. Die Verhältnisse unserer Gesellschaft werden von ganz anderen Maßstäben bestimmt: von Leistung und Reichtum und Schönheit. Um so stärker ist das Zeichen, das Christen setzen können, wenn sie sich mit dem begnügen, was sie nötig haben, und einander das zugestehen, was jeder Mensch zum Leben braucht: an Nahrung und Wohnraum, an Freiheit und Arbeit, an Freundschaften und Liebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15155
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