SWR2 Wort zum Tag

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 - Isa Vermehren und der Glaube

„Ein weites Herz" - so heißt die Biographie, die der Verleger und Publizist Matthias Wegner über Isa Vermehren, geschrieben hat. Eine Frau, die als Kabarettistin, Schauspielerin und Sängerin in den 30er Jahren berühmt wurde, deren Weg durch das Konzentrationslager der Nazis in ein Leben als Ordensschwester führte. Einem weiteren Publikum wurde sie durch den Fernsehfilm über sie und ihre Familie bekannt, der dieses Jahr zu Ostern über die Bildschirme lief. Die Qualität des Fernsehfilms ist zu recht sehr umstritten, die dortige Geschichte wich zum Teil extrem von der tatsächlichen Biographie ab.

Isa Vermehrens Werdegang nach dem Eintritt ins Kloster kommt im Film gar nicht mehr vor, gerade in diesem Teil der Biographie fand ich aber vieles, was mich nachdenklich machte. Da ist zum Beispiel die Auseinandersetzung mit den Veränderungen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Diese Versammlung war für die katholische Kirche wegweisend und zukunftsweisend, denn Sie hat versucht, die Lehre und Praxis mit der modernen Gesellschaft und den veränderten Bedingungen zusammenzubringen, in der die Christen leben. Für Isa Vermehren waren aber viele der Veränderungen des Konzils, vor allem diejenigen, die die Regeln ihres eigenen Ordens betrafen, völlig überzogen und ein Abweichen vom bewährten Weg, den die Kirche jahrhundertelang gegangen war. Ich glaube, der Schlüssel für diese Haltung liegt darin, dass Isa Vermehren Konvertitin war. In ihrer Kindheit hatte Religion kaum eine Rolle gespielt und während der Schreckensherrschaft der Nazis lernte sie nun den Glauben als einen Ort der Standhaftigkeit und der Unabhängigkeit kennen. Sie entdeckte den Weg mit Gott als wertvoll für sich war fasziniert von der katholische Tradition und Glaubenspraxis. Ein Mensch, der so bewusst den neuen Glauben für sich entdeckt und sich ganz bewusst dafür entscheidet, kann nur schlecht damit umgehen, wenn Formen und Lehren dieses Glaubens sich ändern. Dies ist bei sehr vielen Konvertiten in allen Religionen zu beobachten.

Mich hat das beim Lesen etwas traurig gemacht, denn der Titel der Biographie lautet ja „Ein weites Herz" - und mir scheint, dass an dieser Stelle das Herz vielleicht doch nicht so weit war zu verstehen, dass es kein Gegensatz ist, Werte zu bewahren und offen zu sein für Veränderung - dass beides auch und gerade in religiösen Dinge notwendig zusammengehört.

So bleibt mir der Trost, dass Schwester Isa Vermehren trotzdem eine unabhängige und mutige Frau geblieben ist. Die erste Frau übrigens, die das Wort zum Sonntag im Fernsehen gesprochen hat. In ihren dortigen Beiträgen hat sie tatsächlich ein weites Herz bewiesen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15123
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