SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Lieber Klaus, ich achte dich für das, was du leistest - aber ich liebe dich für das, was du bist." Den Satz hab ich in einer Zeitungsanzeige gelesen. Und ich kann nur hoffen, dass Klaus weiß, was er für eine tolle Frau hat.
Die Paarrealität sieht leider allzu oft so aus wie sogar bei einem sonst so reflektierten Schriftsteller wie Antoine de Saint-Exupéry und seiner Frau: man liebt sich, das schon, das Gefühl ist da, aber man erwartet doch so viel mehr! Der andere soll perfekt sein, er soll mir die Wünsche von den Lippen ablesen, er soll mich verstehen, ohne dass ich lange Erklärungen abliefern muss.
Die Unzufriedenheit steigt, die Missverständnisse häufen sich und schließlich wirft man dem anderen das vor, was auch Antoine de Saint-Exupéry seiner Frau vorgeworfen hat: „Du gibst mir nie, wonach mich dürstet."
Stattdessen soll der andere funktionieren: er soll der harte Manager sein, der einsame Cowboy, aber zuhause bitte einfühlsam; sie soll ohne Probleme Ehefrau und Mutter sein, den Haushalt führen, kochen, erfolgreich ihrem Beruf nachgehen und abends sexy sein.
Und so wachsen Verbitterung und Enttäuschung, weil der andere nie so sein kann, wie wir es eigentlich von ihm erwarten. Wir fühlen uns vom anderen zu wenig gewürdigt, das, was wir tun, findet keine Anerkennung.
Dabei bedeutet Liebe „Dem anderen vergeben, dass er meine grenzenlosen Erwartungen nicht erfüllen kann."
Liebe ist vor allen Dingen eine Haltung. Ich begegne dem anderen mit Achtung und erkenne seine Eigenheiten an (oder ich lerne zumindest, mit ihnen zu leben), ich berücksichtige meine und seine Grenzen, ich verletze ihn nicht vorsätzlich, ich akzeptiere und respektiere ihn, auch da, wo ich ihn mir anders wünsche.
Und dann kann ich hoffentlich das sagen, was Klaus über sich in der Zeitung lesen durfte: „Ich achte dich für das, was du leistest - aber ich liebe dich für das, was du bist."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15096
weiterlesen...