SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Diese Gedanken haben mich bewegt: Bernhard Vogel, viele Jahre Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und von Thüringen, schreibt über den Konflikt eines christlichen Politikers zwischen seiner Treue zur Kirche und der Verantwortung gegenüber dem eigenen Gewis-sen. In einem Abschnitt über Papst Johannes Paul II. finden sich respektvolle Worte über dessen starke Persönlichkeit und historische Verdienste. Als Herausforderung an das ei-gene Gewissen hat Vogel jedoch die Weisung des polnischen Papstes erfahren, dass die katholische Kirche in Deutschland aus der gesetzlichen Schwangerschaftskonfliktberatung aussteigen müsse. Er selbst hatte die entsprechende Regelung wenige Jahre zuvor vor dem Bundesverfassungsgericht mit erstritten.
Bernhard Vogel zitiert das Zweite Vatikanische Konzil mit den Worten: „Die geweihten Hirten der Kirche ... sollen die Würde und die Verantwortung der Laien in der Kirche an-erkennen und fördern. Sie sollen gern deren klugen Rat benutzen, ihnen vertrauensvoll Aufgaben im Dienst der Kirche übertragen und ihnen Freiheit und Raum im Handeln las-sen, ihnen auch Mut machen, aus eigener Initiative Werke in Angriff zu nehmen.“ Bern-hard Vogel fügt an: „Freiheit und Raum im Handeln braucht vor allem der seinem Glau-ben und seiner Kirche verpflichtete Politiker.“ Er müsse, sagt Vogel, entscheiden, um Mehrheiten kämpfen, Kompromisse schließen, das Zweitbeste akzeptieren, wenn die per-fekte Lösung nicht durchsetzbar sei.
Ich habe großen Respekt vor diesem Bekenntnis zur Gewissensfreiheit. Respekt auch vor dem Bekenntnis, dass wir Kompromisse schließen müssen und anerkennen: das Leben lässt sich nicht eindeutig als schwarz und weiß, richtig und falsch deuten und bewerten. Immer leben wir auch mit Zwiespältigem; trotzdem müssen wir handeln und entschei-den. Und erst nachträglich – vielleicht – sehen wir, ob wir geirrt oder recht gehandelt haben. Das ist das Risiko und die Bürde der Gewissensfreiheit. Aber auch ihre Würde und Größe.
„Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“, lese ich beim Apostel Paulus. Und wie schwierig es mit dieser Freiheit ist, sagt Paulus auch: „Wir wissen ja nicht, worum wir in rechter Weise bitten sollen.“ Aber dann lese ich weiter: „Der Geist tritt mit unaufhörli-chem Seufzen vor Gott für uns ein.“ Ohne Seufzen – bei Gott - geht die Freiheit wohl nicht. Darum hoffe ich, dass unsere kleine, zaudernde Gewissensfreiheit doch in Gottes unendlicher Eindeutigkeit ihre Klärung findet.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1507
weiterlesen...