Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Eine meiner Schülerinnen in der Erwachsenenbildung musste ein Referat bei mir halten, über Immanuel Kant, den berühmten Philosophen. Nach dem Referat erzählt sie mir, wie sehr sie der Philosoph beschäftigt hat, Tag und Nacht:
„Ich habe nur noch über das eine Thema reden können: der Philosoph und wie in aller Welt ich ihn der Klasse nahe bringen soll. Auch meine Familie musste sich ununterbrochen meine Gedanken dazu anhören, selbst bei Tisch.
Einmal, beim Mittagessen, sagte mein Mann zu unserer Tochter:
„Geh, hol mal noch 'nen Teller! Der Kant kommt gleich zum Essen."
Ich fand die Geschichte köstlich! Erst einmal freut es mich natürlich riesig, wenn meine Schüler so sehr bei der Sache sind, dass die Philosophen für sie förmlich Gestalt annehmen. Und dann gefällt mir die Vorstellung, wie da noch ein Gedeck aufgelegt wird. -  Ja, ich sehe Kant direkt vor mir, wie er höchst pünktlich zum Essen erscheint, noch schnell Hut und Gehrock ablegt und sich zu Tisch begibt.
Und es ist ja wirklich so: wenn wir in Gedanken ganz mit einer Person beschäftigt sind, dann ist sie auch um uns. Und ist fast zum Greifen nah.
So wie bei diesem einfachen Tischgebet, das ich so oft in meiner Kindheit gehört und mitgesprochen habe:
Komm, Herr Jesus, sei unser Gast
und segne, was du bescheret hast.
Als Kind habe ich das nie verstanden. „Das hat doch die Mama gekocht und nicht Jesus", habe ich eingewendet. Das stimmt. Aber wenn wir in Gedanken bei Jesus sind, und ihm danken für das, was wir zum Leben haben, dann wird er - sozusagen vollautomatisch - unser Gast. Dann kommt er und sitzt mit am Tisch. Wie Kant. Nur - Jesus ist mir noch viel lieber. Bei ihm muss ich mich nicht anstrengen und lauter schlaue Sachen sagen. Von ihm bekomme ich etwas: seine Zuwendung und seinen Segen. Und das ist schön.
Eigentlich könnte ich doch ab und an für ihn mit eindecken... - vielleicht sonntags?

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