SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Sie hatten Schwerstarbeit zu leisten ohne Entlohnung, Zwangsarbeit sozusagen. Man hatte sie ausgebeutet. Selbst Kinder wurden nicht verschont und mussten in den Steinbrüchen arbeiten und schwere Brocken schleppen. Die Bibel erzählt davon: in der Geschichte von den Israeliten in der Sklaverei in Ägypten.
Die Familien wohnten in Hütten; acht, neun Leute auf engstem Raum. Und sie hatten nur abgerissene Fetzen am Leib. Das war kein Leben. Sie mussten raus, am besten über die Grenze, weit weg. Aber wie - bei der strengen Bewachung? Und ringsum nur Wüste. Wie da durchkommen ohne Brot und Wasser, kraftlos, wie sie waren?
Irgendwann tauchte ein Mann auf, der ihnen anbot, sie über die Grenze in ein anderes Land zu bringen - in ein „Land, in dem Milch und Honig fließen", wie er sagte. Er schien gute Kontakte zur Regierung zu haben. Jedenfalls gelang es ihm, sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion außer Landes zu führen. Doch damit begannen die Probleme erst. Die Flucht war kein Spaziergang. Und wer würde sie am Ende aufnehmen?
So stelle ich mir die Israeliten von damals vor. Wie „displaced persons". Sie können sich nur im Niemandsland aufhalten, in Zwischenlagern, und wissen nicht, wie sie den morgigen Tag überleben sollen. Wie Menschen auf der Flucht vor Krieg und Terror. Wie „Boat-People", die heimatlos und schutzlos irgendwo übers Meer driften. - Da gibt es Parallelen zur politischen Wirklichkeit unserer Tage.
Die Bibel erzählt dann weiter, nicht nur von der Trostlosigkeit der Exilsuchenden in der Wüste. Sie erzählt auch von Erfahrungen, wie diese Gruppe von Menschen damals geschützt und bewahrt wurde. Wundersame Erfahrungen. Und ich frage mich: Wo bleiben die Wunder für die Vertriebenen und Heimatlosen heute? Könnte es nicht auch dafür aktuelle Parallelen geben?
Die Wunder einer humanen Politik beispielsweise, die die Grenzzäune für Asylanten niedrig hält. Die Wunder einer Menschlichkeit, die Leben rettet, das in Flüchtlingsbooten über die Grenzen der Europäischen Union gespült wird. Die kleinen Wunder freundlicher Nachbarschaft in unseren Städten und Gemeinden; damit Fremde, die eigentlich viel lieber in ihrer Heimat leben würden als hierzulande, sich im unfreiwilligen Exil zurechtfinden - und - zumindest auf Zeit - zuhause fühlen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15054
weiterlesen...