SWR2 Wort zum Tag

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Unter dem Motto „Alkohol – Verantwortung setzt die Grenze“ beginnt heute bundesweit die „Suchtwoche 2007“. Schüler und Jugendliche debattieren in Rathäusern, Ärzte bera-ten ihre Patienten, Selbsthilfegruppen informieren über ihre Tätigkeit, alkoholfreie Sport-wochenenden werden angeregt. Durch ein breit angelegtes Programm soll das Bewusst-sein für verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol geschärft, sollen Entscheidungs-hilfen angeboten werden. Aber auch Stigmatisierung und Ausgrenzung alkoholkranker Menschen sollen überwunden werden.
Die Hintergründe sind dramatisch. 1,7 Millionen Menschen gelten in Deutschland als al-koholabhängig, rund 74.000 Frauen und Männer sterben jährlich an den Folgen des Alko-holskonsums. Jedes vierte Gewaltdelikt, jeder dritte Verkehrsunfall und jede zweite Tö-tungstat geschehen unter Alkholeinfluss. Besonders erschreckend: Kinder und Jugendli-che beginnen immer früher mit dem Trinken, das Einstiegsalter liegt derzeit bei 13 Jah-ren.
Es gibt viele Gründe, warum Menschen zu berauschenden Getränken greifen. Oft ist es einfach eine schleichende Gewöhnung, das Bedürfnis nach lockerer Gemütlichkeit – ohne weiteres Nachdenken, bis eine kritische Grenze überschritten ist. Oft ist es auch eine Flucht – Ausdruck der Sehnsucht nach einem anderen Leben. Ich versuche z. B., unter der entspannenden Wirkung von Alkohol oder anderen Drogen ein wenig meine realen Lebensumstände zu vergessen: Alltagsstress, finanzielle Sorgen, oder berufliche und fa-miliäre Probleme. Alkoholmissbrauch kann eine Begleiterscheinung von Wohlstand und Erfolg sein. Häufig ist er aber auch eine Folge von sozialer Benachteiligung, von quälen-den Existenzsorgen, von Armut. Neueste Untersuchungen belegen: Arme geben häufig 10 bis 20 Prozent ihres Einkommens für Alkohol und Tabakwaren aus. Und der frühe Ein-stieg in die Sucht trifft besonders Kinder aus armen Familien.
Es ist gut, wenn die Suchtwoche das individuelle Verhalten der Menschen in den Blick rückt, andererseits aber auch die Belastungen deutlich macht, unter denen Menschen zu leiden haben. Sich entlasten und entspannen ist wichtig, aber das Mittel kann zum Prob-lem werden. Richtig zu genießen will gelernt sein. Wichtig ist aber auch das andere: Men-schen bei ihren Problemen nicht allein lassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=1505
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