SWR3 Gedanken

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Vor 70 Jahren, im April 1943, wird ein politischer Häftling ins Militärgefängnis Berlin-Tegel eingeliefert. Warum genau, das erfährt er nicht. Jeden Morgen landet ein Stück Brot auf dem Zellenboden unter der Türluke und ein dünner Kaffee wird reingeschoben. Es ist kalt und es gibt weder Seife noch frische Wäsche. Nach einigen Tagen schreibt der Häftling auf einen Zettel, wie er sich fühlt: „Selbstmord, nicht aus Schuldbewusstsein, sondern weil ich im Grunde schon tot bin."
Der Häftling heißt Dietrich Bonhoeffer, evangelischer Pfarrer und Widerständler. Bereits zwei Tage nach der Machtergreifung Hitlers protestiert er übers Radio gegen ein „sich selbst vergottendes Führeramt" bis ihm das Mikro abgedreht wird. Als Protestaktion schlägt er seinen Pfarrerskollegen einen Beerdigungsstreik vor. Bonhoeffer schleust bedrohte Juden über die Grenze und knüpft Kontakte zum Widerstand im Ausland. Irgendwann fliegen die Aktivitäten auf, und so landet er in seiner Gefängniszelle. 
Zum Glück wird er irgendwann in einen anderen Trakt verlegt und bekommt dort Bücher und Schreibpapier zugestanden. Alle zehn Tage darf er einen Brief abschicken. Seine Gedanken darin kreisen um einen Gott, der die Menschen scheinbar verlassen hat. Bonhoeffer schwankt zwischen Hoffnung und Todesangst und kommt doch zum Schluss, dass Gott, so fern er manchmal scheint, ganz nah sein muss. Nicht als einer der herrscht, sondern als einer der still und ohnmächtig mitleidet. 
Mich beeindruckt es, dass Bonhoeffer in dieser Situation bei so einer Schlussfolgerung landet. Aber immer wieder haben Menschen in größter Not diese Erfahrung gemacht und weiter gegeben. Zwei Jahre später am 9. April wird Bonhoeffer erhängt. Seine letzten Worte sind: „Das ist das Ende - für mich der Beginn des Lebens." 
Bonhoeffers wohl bekanntestes Werk ist ein Liedtext, der auch in der Haft entstanden ist. Da heißt es: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15031
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