SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Es ist ein Geduldspiel - und fast alle kennen es. Manche spielen dieses Spiel jeden Morgen und jeden Abend, andere nur ab zu. Wieder andere regelmäßig zur Urlaubszeit. Das Geduldsspiel heißt: Stau.

Wir haben es vor einigen Tagen spielen müssen. Wir wollten Freunde besuchen, sind mitten in der Nacht losgefahren, damit wir eine freie Strecke haben - und dann das: Unfall, Vollsperrung. Keine Chance von der Autobahn zu kommen. Der Ärger kriecht langsam heran. Wären wir doch früher gefahren. Hätten wir doch die Alternativroute gewählt. Hätte, wenn - das nutzt alles nichts. Jetzt stehen wir hier.

Es tut sich nichts. Kein Vor, kein Zurück. Wir steigen aus. Mitten auf der Autobahn. Wie viele andere auch. Man kommt ins Gespräch. Plaudert mit den Autofahrern vor und hinter einem. Man tauscht sich aus. Ob jemand was weiß. Ob sich wohl jemand verletzt hat. Ob es irgendwann weitergeht. Dann kommen plötzlich drei Abschleppwagen. Und dann, irgendwann, löst sich der Stau langsam auf. Erst geht es im Schritttempo vorwärts, dann ist wieder freie Fahrt.

Mir sind die Gespräche mitten auf der Autobahn im Gedächtnis geblieben. Eigentlich eine ganz unwirkliche Situation. Da müssen wir unsere Fahrt unterbrechen, sind ärgerlich, können nicht weiter. Und plötzlich entsteht etwas ganz Neues. Ein Gespräch mit wildfremden Menschen wird möglich. Gemeinsam machen wir uns Mut, tauschen uns aus, erzählen miteinander, teilen unser Leben für eine kurze Weile. Und der Ärger verfliegt.

Wenn ich Ostern erklären will, dann kann ich auf diese Staugeschichte zurückgreifen. Das ist eine Ostererfahrung für mich. Denn was erleben die ersten Christen nachdem ihr Freund Jesus tot ist? Sie stecken im wahrsten Sinn des Wortes im Stau. Trauer staut sich an und Enttäuschung. Das Leben geht nicht mehr vorwärts. Die Jesus-Bewegung steckt fest.

Aber dann öffnet sich die Perspektive. Die Jünger entdecken, dass dieser Jesus weiter bei ihnen ist. Und sie fassen neuen Mut. Reden miteinander. Und dann machen sie sich auf.

Ich glaube, dass Auferstehung auch das meint: Erfahren, dass Festgefahrenes wieder in Bewegung kommt. Dass sich neue Perspektiven öffnen, dass der Weg des Lebens und des Glaubens wieder frei wird. Das passiert nicht einfach so oder schnell. Dafür braucht es manchmal - Geduld.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14955
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