SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich habe einen Arbeitskollegen verloren. Es war ein echt netter Kerl. Nein, er ist nicht gestorben. Er war auch Pastor wie ich und jetzt ist er es nicht mehr.
Es hat damit angefangen, dass er eine neue Pfarrstelle in einer Stadt annahm. Eine große Kirche mit einem großen Wohnhaus dabei. Nach ein paar Wochen habe ich ihn angerufen und gefragt, wie es denn so laufe. „Gut", meinte er. Und dann erzählte er, dass er auch die Hausverwaltung übernehmen musste. 20 Mietparteien mit allem, was so dazu gehört.
Am Ende erzählte er mir, dass er kaum mehr zu Ruhe käme vor lauter Arbeit.
Spätestens da hätten bei mir die Alarmglocken läuten müssen. So etwas kann doch nicht lange gut gehen.
Ist es auch nicht. Nach einem halben Jahr war er krank und nach einem Jahr musste er seinen Beruf aufgeben. Er war einfach ausgebrannt, hatte einen „Burnout" wie man das neudeutsch nennt.
Später hab ich überlegt: Vielleicht hätte ich ihm helfen können. Ich hätte zumindest sagen können: „Lass uns mal einen Kaffee zusammen trinken. Einfach etwas Zeit haben, um miteinander zu reden."
Ich weiß nicht, ob das viel geändert hätte. Aber ich denke mir, was er mir da so nebenbei am Telefon erzählte, war ein Hilferuf. Da hätte ich hellhörig werden und einfach einmal ein Gespräch anbieten können.
So wie bei der Frau im Supermarkt, die mir erzählte, ihrem Mann gehe es nicht gut. Zuerst hatte ich überlegt, „gute Besserung" zu wünschen, aber dann doch nachgefragt, warum. Und dann standen wir lange Zeit zwischen den Regalen und ich erfuhr, dass er seinen Job verloren hatte und wie ihn das fertig macht.
Viel gesagt habe ich nicht, einfach nur zugehört und diese Frau spüren lassen, das ich sie verstehe und ich Ihren versteckten Hilferuf gehört habe. Dazu gehört nicht viel. Etwas Zuhören und Mitfühlen reicht schon. Am Ende unseres Gespräches habe ich ihr angeboten, in den nächsten Tagen für sie zu beten. Sie war dankbar für dieses Gespräch und dass ich in den nächsten Tagen an sie denken wollte. Unsere Last wird einfach leichter, wenn wir sie mit anderen teilen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14950
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