Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Das wird heute wieder vermutlich so ein ganz und gar gewöhnlicher Tag. Aufstehen, Zähneputzen, Radio an, Kaffee kochen oder Tee. In die Schule, ins Büro, auf die Straße, zu Hause arbeiten. Vielleicht das Bett hüten. Zeitung lesen. Kurz: Das wird ein gewöhnlicher, ein alltäglicher Tag. Nur minimal anders, als der Tag gestern oder vorgestern. 

Ein gewöhnlicher Tag. Das klingt nach Langeweile und Alltagstrott, das klingt grau und trist. Aber: Was heißt eigentlich „gewöhnlich"? Da stecken die Wörter »gewohnt« und natürlich »wohnen« drin. Gewöhnlich ist also das, wo wir zu Hause sind. Und zu Hause sein, in einer vertrauten Umgebung, mit vertrauten Menschen und Dingen, das tut oft gut.

Ich weiß, wo die Teller im Schrank stehen und wo ich die Nudeln aufbewahre. Ich kann darauf vertrauen, dass mein Lieblingsmoderator im Radio spricht. Ich weiß, wo der Bäcker ist und wer meine Nachbarn sind. Ich kenne die Wege zur Sporthalle und zur Ärztin. Ich weiß, wen ich anrufen kann, wenn ich mal jemandem zum Reden brauche.

Und jetzt stelle ich mir vor, dass das alles nicht da ist. Die Konsequenz ist ganz einfach: Ich muss mich dauernd neu orientieren, alles immer wieder neu entdecken. Ich gebe zu: Im Urlaub ist das schön und spannend. Aber jeden Tag immer alles anders? Das kann ich nicht brauchen.

Kein Wunder, dass auch der Glaube vor allem aus Gewöhnlichkeiten besteht. Gottesdienste sind immer ähnlich, Kirchen sehen meistens wie Kirchen aus, Gebete benutzen die gleichen Wörter. All das kann langweilig sein, es gibt mir aber auch die Chance, im Glauben zu Hause zu sein.

Besonders faszinierend aber am Gewöhnlichen finde ich, dass es das Ungewöhnliche möglich macht. Denn erst wenn vieles vertraut ist, dann kann ich plötzlich das Unvertraute, das Neue entdecken. Kann im Frühling im tristen Grau die ersten Krokusse sehen. Kann am Morgen, wenn ich gedankenverloren zur Arbeit fahre, plötzlich die ersten Störche kreisen sehen. Kann noch halb verschlafen entdecken, dass der Himmel irgendwie anders aussieht.

Ich wünsche Ihnen heute einen ganz gewöhnlichen Tag - voll mit Ungewöhnlichem.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14929
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