SWR2 Wort zum Tag

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In der Bibel werden ja ganz schöne Versprechen gemacht. Im Buch des Propheten Jesaja steht zum Beispiel: „Seht, ich erschaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde." Das sagt Gott seinem Volk zu, vor allem denen, die ihm treu sind. Und weiter heißt es: „Was früher war, wird vergessen, nur noch Freude und Jubel soll sein. Es soll kein Weinen und Klagen mehr geben. Kein Kind muss mehr sterben, alle Menschen erreichen ein hohes Alter. Wer als Hundertjähriger stirbt, gilt als jung."
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich wirklich hundert oder älter werden möchte, mit allem anderen wäre ich sofort einverstanden. Viel Freude, kein Leid mehr - das klingt verlockend. Aber dann frage ich mich: Hätte Gott die Welt nicht gleich so erschaffen können? Warum muss es so viel Umwege geben, warum immer wieder einen neuen Anfang? Wann werden die Versprechen endlich eingelöst?
Ich habe keine richtige Antwort, eher noch mehr Fragen. Ist Gott vielleicht nicht mächtig genug? Zumindest probiert er es nicht mit Macht, er setzt sie nicht ein.
Oder: Gibt es eine Gegenkraft, die das Böse in die Welt bringt, den Teufel? Das überzeugt mich nicht so recht, vielleicht, weil mir die Erklärung zu einfach erscheint.
Oder: Will Gott etwa selber das Böse? Das mag ich mir auch nicht vorstellen, auch weil ich nicht weiß, wozu das gut sein soll.
Mir leuchtet ein, dass Gott nicht erzwingen kann und will, dass wir Menschen ihn lieben und ihm vertrauen. Er nimmt uns als Gegenüber ernst und nimmt dabei in Kauf, dass wir uns anders entscheiden, selbst wenn das für uns nicht gut ist. Die Bibel beschreibt Gott oft als einen, der uns Menschen liebt, als einen, der um unser Vertrauen wirbt. Deshalb ist auch immer wieder zu spüren, dass er enttäuscht ist von den Menschen. Doch er fängt immer wieder neu an und verspricht, dass er es noch mal probiert.
Wenn ich so auf die Weltgeschichte schaue, dann sehe ich zwar immer wieder Neuanfänge, z. B. nach einem Krieg oder nach dem Fall der Mauer. Aber es ist kein Neuanfang, wie Jesaja ihn ankündigt, also nie wieder Leid. Ist das alles noch Zukunftsmusik? Oder sind wir nur nicht bereit, Gott alles neu machen zu lassen. Das kenne ich von mir selbst. Ich fange auch immer wieder neu an, manchmal erbitte ich sogar Gottes Hilfe dazu. Trotzdem bin ich immer wieder auf alten Gleisen unterwegs. Ich gestalte mein Leben so, wie ich es kann, wie ich es gelernt habe. Wege zu gehen, die ich nicht kenne, das macht mich unsicher. Genau darauf muss ich mich aber einlassen, wenn in meinem Leben wirklich Neues werden soll. Für mich persönlich hoffe ich immer, dass ich irgendwann dazu bereit bin, dass Gott mein Leben erneuert. Und wer weiß, vielleicht fängt das, was bei Jesaja versprochen wird, der neue Himmel und die neue Erde ganz langsam an, bei mir und bei Ihnen.

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