SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Trotzig sein ist eine der schönsten Begabungen, mit denen uns Gott ausgestattet hat.
Trotzig sein können, sich zur Wehr setzen, Widerstand leisten, sich nicht in mutloser Ergebenheit alles gefallen lassen. Darum brauchen Kinder ihre Trotzphasen. Das habe ich in einem kleinen Buch gelesen zu einem Lied von Paul Gerhardt. Das Lied hat er vor 350 Jahren gedichtet. Ich singe es gern in der Passionszeit, in den sieben Wochen vor dem Osterfest:
„Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich;
so oft ich sing und bete, weicht alles hinter sich.
Hab ich das Haupt zum Freunde und bin geliebt bei Gott,
was kann mir tun der Feinde und Widersacher Rott."
Trotzen können ist eine Lebenskunst. Wer Gott auf seiner Seite hat, der trotzt allem und allen, die ihm das Leben schwer machen. Wer Gott auf seiner Seite hat, der kann sagen: Trotzdem! Ich lasse mir die Lebensfreude nicht nehmen. Mir hilft dieses Lied vom Dichterpfarrer Paul Gerhardt, dass ich diese Lebenskunst einübe.
Was mir Angst machen will und den Mut nehmen, das wird in dem Lied aufgezählt: Sorge, Schmerz, Kummer, Furcht und Schrecken, Sünde, Tod und Höllenangst. Ein ganzes Heer furchterregender Gestalten. Mit seinem Trotzlied will Paul Gerhardt Mut machen, dass ich nicht den Kopf in den Sand stecke, wenn ich mich bedroht fühle, sondern allem, was mich bedroht, ins Auge schaue und dagegen ansinge. Dazu benutze ich auch die kräftigen Worte und trotzigen Entschlüsse, die Paul Gerhardt bei seinem Namensvetter, dem Apostel Paulus, gefunden hat. In seinem Brief an die Gemeinde in Rom schreibt Paulus: „Wenn Gott für uns ist, wer kann sich dann noch gegen uns stellen?"
Auch Paulus trotzt allem, was Leben zerstören und Freude nehmen will. Was Paulus für die ganze Gemeinde geschrieben hat, das wendet Paul Gerhardt für sich selbst und jeden einzelnen an:
„Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich;
so oft ich ruf und bete, weicht alles hinter sich."

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