SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Warum mischen sich Christen und Kirchen immer wieder in die Politik ein. Mit welchem Recht?“ So wird oft kritisch gefragt. Auch jetzt wo während des G8 Gipfels Christen die Politik kritisieren, zB. ganz deutlich und laut auf dem Evangelischen Kirchentag in Köln. Und auch wenn man sich im Radio politisch äußert, kann man Zuschriften bekommen, die sagen: „Die Pfarrer sollen das Evangelium verkündigen und sich aus der Politik heraushalten.“
„Warum mischen sich Kirchen in die Politik ein? Glauben sie, dass religiöse und moralische Argumente bessere Ratgeber sind als die Vernunft?“
Nein, das glauben Kirchen nicht. Sich in politischen Fragen anderen überlegen zu fühlen, wäre nicht christlich. Aber es gibt unabweisbare Gründe, warum sich Christen und Kirchen in die politische Debatten einmischen. Die Bibel ist nämlich selbst in weiten Teilen ein politisches Buch. Vor allem im Alten Testament. Das Alte Testament ist in weiten Teilen sogar erstaunlich wenig religiös, wenn man unter Religion vor allem Fragen versteht wie die nach dem Seelenheil oder wie geht es weiter nach dem Tod.
Das Alte Testament ist politisch, weil es dort immer um das Leben geht: Wie wird es gut? Gott will ja, dass es gerecht zugeht und seine Geschöpfe genug zum leben haben. Wie können wir als Menschheit im Sinn Gottes leben? Die Propheten wie zB Jeremia melden sich mit solchen Fragen scharfzüngig zu Wort und geraten dabei auch direkt mit den Königen aneinander.
Aber auch das Neue Testament ist nicht unpolitisch. Jesus selber reibt sich an denen, die das Sagen haben. An der Tempelaristokratie, an Herodes und an der römischen Besatzungsmacht. Die Konfrontation mit dem Statthalter Pilatus kostet ihn schließlich sogar das Leben. Jesu Leben und wie er für die Menschen eintritt ist oft eine kritische Frage an religiöse und politische Amtsträger. Er will nicht die Macht übernehmen, aber er stellt Fragen und stellt in Frage wie Menschen Macht ausüben. Zu wessen Nutzen. „Dein Wille geschehe im Himmel wie auf Erden.“ So lehrt Jesus beten und hoffen. Und seine Vorstellung vom guten Willen Gottes für alle Menschen beißt sich allzu oft mit den Realitäten, die die religiöse und politische Obrigkeit zu verantworten haben.
Wenn Christen Jesus und Jeremia zuhören, dann müssen sie politisch mitdenken. Diesen biblischen Vorbildern können sich die Kirchen bis heute nicht entziehen. Darum hören in gut einer Stunde zehntausende Menschen auf dem Evangelischen Kirchentag auf die scharfzüngigen Worte des Propheten Jeremia und sie werden in die Politik hinein fragen: Wie – um Himmels willen - kann das Leben für Menschen besser werden, für möglichst alle?
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1488
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