SWR2 Wort zum Tag

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„Ich möchte mir nicht vorschreiben lassen, wie viel es kostet, an Gott zu glauben." Über das deutsche Kirchensteuersystem hat sich die junge Frau so geärgert, dass sie deswegen sogar aus der Kirche ausgetreten ist. Nun tritt sie wieder ein, weil ihr die Kirchenmitgliedschaft wieder wichtig geworden ist. Über die Kirchensteuer ärgert sie sich aber immer noch: „Ich möchte mir nicht vorschreiben lassen, wie viel es kostet, an Gott zu glauben."
Viele sehen es ähnlich. Allerdings: Ich glaube, in dem zugespitzten Satz der jungen Frau steckt ein grundlegendes Missverständnis. Denn: An Gott zu glauben kostet natürlich nichts - weil es, so zumindest die Überzeugung der reformatorischen Theologie, auch nicht an die Mitgliedschaft in einer bestimmten Kirche gebunden ist.
Glaube braucht Gemeinschaft, ja. Aber er braucht nicht zwingend eine nach unserem Modell verfasste Kirche. Man muss nicht in der Kirche sein, um an Gott zu glauben - und man muss übrigens auch nicht an Gott glauben, weil man Mitglied in der Kirche ist. Denn „müssen" und „glauben", das geht meiner Überzeugung nach gar nicht zusammen.
Deshalb maßen wir als Kirche uns auch nicht an, den Glauben eines Menschen zu beurteilen. Gottvertrauen ist ein Geschenk, das man anderen weder aufzwingen noch absprechen kann. Schon gar nicht durch einen Stempel auf einer Austrittserklärung oder einem Eintrittsformular.
Meine evangelische Kirche hat sich bewusst für das System der Kirchensteuer entschieden und ist jedem dankbar, der durch seine Kirchenmitgliedschaft auch seinen finanziellen Beitrag leistet. Denn hauptamtliche Pfarrer, geheizte Kirchengebäude mit Orgeln und Glocken, gut ausgebildete Kirchenmusikerinnen und vieles andere gibt es nicht zum Nulltarif. Immer wieder spreche ich übrigens auch mit Leuten, die sagen: „Mit der christlichen Lehre habe ich so meine Schwierigkeiten, aber in der Kirche bin ich trotzdem und zahle meine Steuern - weil ich vieles gut finde, was die machen."
Und ja - ein Austritt hat Folgen, wenn man die Dienste der Kirche in besonderen Lebenssituationen braucht. Ob das mal so sein wird, kann man übrigens nicht immer wirklich voraussehen. Deshalb ist auch der Wiedereintritt in die evangelische Kirche einfach und ohne schlechtes Gewissen möglich.
Trotzdem - an dem, was jemand glaubt oder nicht, ändert sich dadurch nichts. Glauben, Gottvertrauen, kann man nämlich mit der Kirchensteuer nicht bezahlen. Es ist gratis - und unbezahlbar.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14867
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