Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Heute hat der Papst seinen letzten Arbeitstag. Punkt 20.00 Uhr wird er in den Ruhestand treten. So einen päpstlichen Amtsverzicht gab es fast noch nie.
Kein Wunder, dass nach der Bekanntgabe am Rosenmontag sogar der Mainzer Fastnachtszug wegen einer Sondersendung im Fernsehen angehalten wurde und stillstand.
Mein erster Gedanke, damals vor zwei Wochen war: Das hätte ich diesem Papst nicht zugetraut. Mein zweiter Gedanke war: Respekt! - Das Wort haben inzwischen viele gebraucht.
Er drückt aus, dass ich den anderen und seine Entscheidung achte;
dass ich nicht über das herziehe, was ein anderer für sich als richtig herausgefunden hat.
Benedikt XVI. hat sich bei seinem Rückzug ausdrücklich auf sein Gewissen berufen.
Er hat sich und seine Argumente sorgfältig geprüft, abgewogen
und schließlich eine Entscheidung getroffen
- die vielleicht „modernste" Entscheidung seiner Amtszeit.
Seit einer halben Ewigkeit wurde einfach vorausgesetzt:
der Papst bleibt auf seiner Stelle, bis sein letztes Stündlein gekommen ist
 - ob er will oder nicht, ob sein Gewissen sich meldet oder nicht.
Durch Benedikts Rücktritt wissen von jetzt an alle: es kann, es darf auch anders sein.
Wenn Benedikt sich auf die Freiheit seiner Gewissensentscheidung beruft,
hat das geradezu etwas Protestantisches.
Martin Luther hat ja einmal gesagt:
Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.
Und: Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan.
Beides gehört zusammen.
Die Aufgabe eines dienstbaren Knechts ist es,
die eigenen Wünsche hinter die der anderen Menschen zu stellen und ihnen zu dienen.
Das hat Joseph Ratzinger mit dem Papstamt noch im hohen Alter getan.
Mit der Art, wie er sein Amt niederlegt, zeigt er jetzt,
dass er vor Gott immer ein freier Herr aller Dinge
und im Gewissen keiner noch so wichtigen Tradition untertan ist.
Meine Erfahrung ist, dass diese Freiheit der Kirche gut tut.
Denn sie ist ansteckend und macht Menschen selbstbewusst und stark.
Alles Gute, Gesundheit und Gottes Segen für den Ruhestand!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14802
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